Red Dead Redemption 2. Nach all den Jahren, all den Versuchen. Nun also wieder mal ein Neustart. Doch diesmal sollte er gelingen. Fünf Jahre schlummerte das Spiel auf meiner Festplatte, jetzt ist es endlich Zeit sich komplett auf das Epos einzulassen: USA, Wilder Westen, Pferde, Staub und Hitze. Ein schroffer Protagonist, Männlichkeit, das Gesetz des Stärkeren. Es wird scharf geschossen, es wird gejagt, geliebt, gelitten. Beistand ist erforderlich. Und es gibt niemanden, den ich jetzt lieber an meiner Seite hätte: Booker’s. Ein Bourbon, der gefühlt aus der Jahrhundertwende stammen könnte. Schon das Etikett sieht so aus wie von damals, wie eines jener braungrauen Wanted-Poster, die beim Sheriff oder vor den Saloons hingen. Booker’s, eine rotgoldene Institution – und schon lange ein Teil meiner Sammlung. Doch jetzt trumpft er auf. Fortan reite ich nur noch aus, sofern ein Tumbler neben mir steht.
Doch wer reitet hier eigentlich wen? Wie ein Wildpferd galoppiert der Bourbon über meine Zunge. Rasant und ungezähmt. Ein unfassbarer Antritt, satte 63.3 % Alkohol. Feuer, Schießpulver, Kraft, Stärke. Und im Herzen dann doch brav. Der Alkohol überwältigt mich nicht. Er ist unheimlich gut eingebunden und schon beim zweiten Schluck vergisst man fast, was für einen enormen Antrieb der Whiskey mitbringt. Was schön ist. Denn hinter der furchteinflößenden Zahl verbirgt sich ein ausnehmend guter Bourbon, ein hervorragender Begleiter, der viel Freude macht. Vor allem während der vielen Zwischensequenzen, aber immer auch wieder mal so, ganz nebenbei.
Dann lege ich den Controller zur Seite. Nehme die Flasche in die Hand und lese. Drehe. Rieche. Lese nochmal. Greife wieder zum Glas. Dunkel, rotbraun, etwas Gold. Betörender Duft. Klebstoff, aber nicht übermäßig viel. Stattdessen Vanille und Eiche, Röstaromen. Dahinter lauert eine schwere Süße, ein bisschen Frucht und noch mehr Holz. Nach einigen Minuten wird der Fernseher dunkler, Bildschirmschoner. Ich bin weiterhin in den Whiskey versunken, trinke. Explosion. Dampflok. Voll, gewaltig, groß, unfassbar, dabei verführerisch. Ein ungestümes Biest und doch ein Gentleman. Er geht nicht hoch wie ein Fass Schießpulver, sondern ist ausbalanciert, überrascht am Gaumen mit einem süß-zarten Blumenstrauß aus Karamell, Nuss, Leder und Zimt. Ein echter Outlaw, der mich erst angrinst, dann am Kragen packt und herumwirbelt, durch den Staub schleift und mir dann aber einen Kuss gibt, nicht mit der Faust ins Gesicht schlägt. Nicht alltäglich. Genauso wie die 7 Jahre, 2 Monate und 5 Tage, die der Bourbon reifen durfte, bis er abgefüllt wurde.
Mist, jetzt geht auch noch der Controller aus. Fast das Spiel vergessen. Ich setze Arthur wieder auf sein Pferd und reite still aber aufmerksam durch die grüne Landschaft, bewundere den blauen Himmel und ertappe mich schließlich dabei, wie ich vom Pferd absteige und auf einen See zulaufe, mich hinsetze und einfach den Blick in die Ferne schweifen lasse. Ist das nicht der richtige Ort für ein Nachtlager? Warum eigentlich nicht. Ich hocke mich hin, grille mir über einem kleinen Lagerfeuer ein Steak. Mit Thymian. Selbst geschossen und gepflückt. Idyllisch. Realistisch. Und auch im echten Leben trinke ich weiter, genieße die Kraft in der Kehle. Alles fühlt sich friedlich an. Glücklich. Was habe ich da nur für eine Kombination aufgetan? Das Leben ist schön. Booker’s und RDR2. Zwei Outlaws, wie sie im Buche stehen. Und ich mittendrin. Eine Ehre.
Kein Wunder, dass die Flasche irgendwann leer ist. Ich kremple mir also die Ärmel hoch und setzte mich mit offenem Portemonnaie vor den Rechner, aber offen bleibt am Ende nur mein Mund. Ohne das mir jemand Bescheid gesagt hat, ist Booker’s zu einer Rarität geworden, fast nirgends mehr zu bekommen. Ausverkauft. Und wenn man ihn doch noch irgendwo findet, dann werden saftige Preise aufgerufen. 199 € können es schon sein. Es schüttelt mich. Meine Gedanken rasen. Ich bin wie gefangen in einem Wellenbad der Emotionen. Flasche leer und Konto leer – dabei ist Red Dead Redemption noch lange nicht durchgespielt! Doch die Vernunft siegt, nicht das Vergnügen. Ich bestelle ihn nicht nach, obwohl er zweifelsfrei eine Fortsetzung verdient gehabt hätte. Das liest man bei Jim Beam sicher gerne bzw. wird es Fred Noe freuen zu hören, der Booker’s getreu den Vorgaben seines Großvaters in die Flaschen bringt. Unverschnitten, natürlich, auf gewisse Art und Weise rein. Small Batch, also in kleinen Chargen, und das schon seit langer Zeit. So wie Booker Noe seinen Whiskey eben mochte. Was ihn zu einer echten Familientradition macht und somit irgendwie auch zu einem Beispiel dafür, wie vielschichtig eine große Brennerei sein kann. Mir wird Booker’s lange im Gedächtnis bleiben, vereint er doch auf imposante Art und Weise all das, was ein amerikanisches Destillat bieten muss. Unverfälschte Power, tolle Farbe, einfaches und doch komplexes Aroma, süffig und stark. (02.2023)