Lyrik


Fernweh


Die Gewalt in meinen Augen bricht
heraus aus mir, so sprich und gib
mir was ich immer haben wollte.
Liebe, Lohn und warme Sonne
strahlt mich an, verbrennt mich sacht.
Geschlagen und gesenkten Hauptes
wandr-ich in die Nacht.
Hinein ins Dunkel, Finsternis
umgibt mich fest drückt der Ozean
des Nichts auf mein Gemüt.
Wenn Tiere schreien friert das Eis
in meinem Herzen zu, der Acker
ist wie Stein, nur härter. Geh!
Komm nicht wieder, lass mir nur
den letzten Frieden. Sieh!
Ich trage mich zu Grunde, still
und will nicht mehr als fort.
Deine Zunge Peitschenhiebe,
deine Augen eine Lüge, zeig mir
wo du mich einst liebtest, weil mir
dann erneut das Herz bricht – bei dir
war ich nicht zu Hause.
Einsamkeit ist ruhig und leise, doch
auf die bestimmte Art und Weise noch
viel schwerer als die Last der Erde auf dem Sarg.
Schütt zu, lass gehn und staune über
meine Flügel, deren Schlag gen Himmel
zeigt und meinen Leib dort parken wird.
In Ewigkeit.



Florian

Eine herbe Enttäuschung. Ich war wirklich brav, Oma hatte nichts zu meckern. Aber als meine Eltern im Februar 1986 wieder nach Hause kamen, gab es für mich keine Transformers und kein Kuscheltier. Sie hatten mir einen Bruder mitgebracht. Kritisch beäugte ich das kleine Ding. Es schrie ziemlich laut, war völlig zerknautscht und ich sollte Florian dazu sagen. Spielen konnte man damit nicht. Was ich damals nicht ahnen konnte: Mein Leben hatte sich für immer verändert.

Denn im Gegensatz zu meinen Stofftieren wurde Florian größer. Im Gegensatz zu meinen Transformers lernte er jeden Tag neue Sachen. Irgendwann konnte er sprechen, laufen, lachen. Ich konnte ihm Dinge beibringen, ich konnte ihm aber auch Dinge wegnehmen. Fantastisch! Doch eingesperrt in einem großen Kinderzimmer blieb uns gar nichts anderes übrig, als zu einem Team zusammenzuwachsen. Ein dynamisches Duo quasi. Gemeinsam vor dem Super Nintendo, gemeinsam auf dem Spielplatz gegen den Rest der Welt, gemeinsam auf der Grundschule und auch auf dem Gymnasium. Mit vereinten Kräften gegen Rosenkohl und Kohlrabi, mit Feuereifer auf unseren BMX-Rädern in den Niederlanden und als hochtalentierte Filmemacher im Keller der Verwandtschaft.

Mein kleiner Bruder. Ich kenne dich seit dem ersten Tag deines Lebens. Worte zu finden, die das beschreiben, ist nahezu unmöglich. Vor mir steht ein Muskelpaket mit Charme, Humor, militärischem Kurzhaarschnitt und einer wunderbaren Frau an seiner Seite – fest im Leben. Mit tollen Freunden, einem Auto, Zielen und Hobbys. Aber sehe ich das? Nicht nur. Ich sehe in dir vermutlich immer meinen kleinen Bruder. Der unter mir im Hochbett lag, der sich mit mir in irgendwelchen Gebüschen Läuse geholt hat. Du wirst für mich immer der Florian bleiben, mit dem ich Wrestling-Sticker in Sammelalben geklebt habe, der durch die Wohnung rennt und dabei Stadiongesänge nachmacht. Immer mit einem viel zu kleinen Ball am Fuß. Du magst noch so erfolgreich sein, noch so stark, ich werde das aber nie komplett begreifen können. Dafür sind wir schon zu lange zusammen. 34 Jahre? Irgendwie sowas. Mit Höhen und Tiefen, klar, aber seit vielen, vielen Jahren einem dauerhaften Hoch. Wie sehr danke ich meinen Eltern dafür, dass ich dich als Geschenk bekommen habe. Nicht nur einen Freund. Nicht nur jemanden, der immer da ist. Sondern einen Bruder. Einen Menschen, für den ich mein ganzes Leben lang da sein werde. Auf den ich stolz bin und zu dem ich aufschauen kann, obwohl er mein kleiner Bruder ist. Untrennbar verbunden, wie sonst nichts anderes auf dieser Welt – und das für immer.



Adhäsion

Kein Wort, keine Beschreibung.
Kann es nicht rufen, nicht benennen.
Namloses Rätsel. Es bedarf keiner Lösung.

Mit der Kraft von 100 Sonnen.
Takterhöhung. Raserei ohne Hast –
sternreicher Rausch, Licht. Licht.

Wilde, glückliche Unruhe.
Schwereloser Frieden, hellwach und scharf.
Gefühle wie Glut. Feuerrot, ungezähmt.

Zusammenspiel und Selbstverständnis.
Goldene Sehnsucht. Wie? Wie hast du?
Fügung und Fusion. Impuls in Reinform.

Explosionen. Kreativ, zahllos. Ein Gedanke pur.
Alles auf einmal, nichts erfasst.
Veränderung wie Blitze am Nachthimmel.

Nun bin ich wach.



S01E02

Der Mond küsst uns kalt, als wir die Nacht betreten. Klar. Nicht wie wir.
Blauer Rauch aus deiner Lunge. Etwas Schweiß auf deiner Stirn. Bewegung verändert.
Dein Haar sieht nicht mehr aus wie vor einigen Stunden.
Ich nehme einen Schluck. Kupferfarben läuft es meine Kehle hinunter.
„Bourbon?“, hattest du gefragt. Ich lächelte dich an.
Unser Atem zieht lautlos ins Schwarz –
wir frieren nicht.

Der Moment vibriert, mein Blick treibt den Nebel beiseite. Der Verstand verliert.
Helles Irrlicht in deinen Augen. Den Tanz verlagert.
Ich nehme dich. Ein Schauer aus Sternen. Kraft. Nackter Rücken an roter Mauer.
Deine Zigarette fällt. Sie glimmt friedlich. Wahrheit. Du spürst es.
Brennend berühren sich unsere Lippen. Kaskade. Ein Gefühl wie das Leben.
Tabak und Eiche, Raserei und Rausch. Einschlag. Die Flut tobt, die Gischt schreit –
wir stehen fest.



Prolog und Finale

Der Wind ist ein getreuer Freund. Er ging woanders hin.
Um ein Haar warst du erschloschen. Fern. Bloß noch ein Gefühl.
Empfindsame Flamme im Sturm. Eine Zeichnung.

Komm näher. Ich gelobe Sicherheit. Ankunft.
Und ich erkenne dich. Nah. In grün, schwarz – und rot.
Deutlicher mit jedem Wort.

Dein Chaos brennt auf mir, unsanft werde ich geweckt.
Heilung und Verwandlung toben, ringen und lösen sich auf.
Ein Kuss, der Sturz in himmlische Untiefen.

Meine Hände biegen deinen Körper, meine Augen schreien dich an.
Da erkenne ich mich. Atme dich ein und sterbe tausend Tode.
Warmes Leuchten, ein Schnitt durch die Finsternis.

Und dies Märchen endet.

Die Zeit ergreift uns, Würgegriff aus kalter Luft.
Erfasst. Wirbel. Nicht schwer – denn wir sind längst zu Asche geworden.
Der Wind ist zurück. Er hat uns betrogen.



Weiß

Schuss in den Orbit, Anker am Boden.
Tagtraum hell.
Verlorene Erkenntnis, eingeschlossen im Herzen.
Ein Vogel im Himmel, Sensation Nord.
Darbend klopft die Nemesis.
Willkommen,
hier kannst du wohnen.

Gefühle wie Perlen, der Blick eine Konzentration.
Kopf aus dem Sand, klagendes Knirschen.
Rosen auf dem Arm, Rosen im Herzen, Stacheln.
Blühe.
Schmelze.
Sei.
Den Kokon verlassen, nun ist er fort.



Arbitrary

Dekonstruktion einer Maske.
Zögerlich den Sand berührt, Furcht mitnichten.
Flut ist Sieg, Schmelze Erfolg –
und die Maschinen laufen weiter.



404

Schwer wie ein Panzer aus Stahl und Metall,
kalt wie der Winter einst war.
Tief wie die Furchen am Grunde des Meeres,
taub wie kriechender Schlaf.
Qualvoll wie der Biss von eintausend Schlangen,
leer wie mein Blick jeden Tag.
Faul wie das Obst am Boden des Gartens,
schwarz wie die sternlose Nacht.

Der Schmied meines eigenen Unglücks war ich,
nun hält mich die Bitterkeit wach.



Vakuum

Ich lebe, ich weine, ich tanze
wir sterben.
Gesicht voller Wellen.
Wir waren ewig gemeint.

Wir lebten, wir weinten, wir tanzten
ich sterbe.
Schiff ohne Anker.
Gedacht war es anders.