Ich bin nicht leicht zu haben. Das bekam auch Uncharted 2 zu spüren, dessen Verlockung ich mich lange entziehen konnte. Ich hielt es für keine gute Zeit, dachte wir passen nicht zueinander und würden uns am Ende nicht verstehen. Schlussendlich jedoch, habe ich mich nach knapp einem Jahr nun doch auf das schmutzige Abenteuer eingelassen. Was soll ich sagen? Eine späte Liebe ist entflammt.
Diese Liebe ist rasant aufgeblüht und ziemlich intensiv. Naughty Dog, denen wir schon den ersten Uncharted-Teil zu verdanken haben, erschaffen mit ihrer wegweisenden Programmierkunst eine optisch überragende Spielwelt. Verschwenderisch viele Details, die unglaublich dichte Atmosphäre und das über alle Maße beeindruckende Gesamterlebnis, lassen mich auch ein Jahr nach dem Release nur in Superlativen sprechen. Ihresgleichen sucht auch die Vertonung des Action-Adventures, was vor allem für die deutsche Synchronisation gilt. Wie ein Film wirkt es bisweilen und die motivierten Sprecher hauchen der Geschichte das notwendige Leben ein. Wuchtig präsentiert sich zudem der Soundtrack nebst sämtlicher Effekte. Naughty Dog erreicht mit diesem audiovisuellen Meilenstein schlicht die Perfektion.
Was wäre jedoch eine spannende Beziehung stimmte nur die Optik? Spaßig durchaus, aber ehrlich gesagt nichts, was auf Dauer fesselt. Uncharted 2 ist jedoch keiner jener Blender, obschon das Gameplay mit relativ wenigen Worten beschrieben werden kann. Wie zahlreiche Spiele dieser Tage, kann man nämlich auch Uncharted in zwei große Bereiche aufspalten: Kampf und Geschicklichkeit. Während diese Spaltung bei den meisten anderen Spielen aber fast schon aufgesetzt wirkt, ist es Naughty Dog gelungen einen nahtlosen, kaum spürbaren Übergang zu kreieren. Dazu haben sie sich einiger Tricks bedient, um die Grenzen zu verwischen. Zwischensequenzen sind dabei sehr hilfreich. Among Thieves hat unheimlich viele jener Cutscenes mit im Gepäck, die man aber gar nicht wirklich wahrnimmt. Das ist ein gutes Zeichen. Andere Spiele werden dadurch unterbrochen oder geraten ein wenig aus dem Takt. Hier ist das nicht der Fall. Die Geschichte wird gelungen vorangetrieben, es gibt keine Ladezeiten und der Übergang von Spiel zu Filmsequenz ist fließend. Nur so kann Naughty Dog dramatische Szenenwechsel einbauen und rasante Tempowechsel mit ins Spiel bringen. Es entsteht ein Feeling wie im Kino und mit offenem Mund starrt man begeistert auf den Fernseher.
Den offenen Mund sollte man rasch wieder schließen, sobald man die Kontrolle über Nathan Drake hat, da dieser meist keine Zeit hat sich zu entspannen. Dem Protagonisten wollen diverse Söldner und andere Widersacher an den Kragen, die ihrerseits scharf schießen und zudem meist in der Überzahl sind. Clever ist derjenige, der sich zügig nach einer Deckung umsieht und vor den Kugeln der Gegner Schutz sucht. Relativ klassisch könnt ihr euch dann aus jener Deckung heraus den Weg freischießen. Uncharted wäre aber kein Meisterwerk, wenn das so abliefe wie in anderen Spielen. Es ist immersiv, packend, fühlt sich einfach gut an, spielt sich klasse und motiviert durch den Einsatz von Granaten und Co. Es mag zwar nicht ungemein innovativ sein, strotzt aber so vor Qualität, dass ich den frischen Wind nicht eine Sekunde vermisst habe.
Ist die Umgebung einigermaßen sicher, macht man sich auf zum nächsten Ziel. Die Geschichte über einen verlorenen Schatz erinnert dabei an Tomb Raider, Indiana Jones und Konsorten, wird grandios vorgetragen und ist deshalb sehr reizvoll. Glaubhafte Charaktere und dieses tolle Gefühl von Abenteuer, garniert mit einigen Zeitsprüngen und interessanten Wendungen. Auch hier erfindet Uncharted 2 das Rad nicht neu, schafft es aber durch die gnadenlos gute Umsetzung mich zu begeistern. Den Weg von A nach B will ich als nächstes thematisieren, mir gehen aber langsam die Komplimente aus: Herausragend, grandios, mitreißend, beeindruckend. Eigentlich passt das alles, denn Nathan Drake klettert nicht nur blöd mal an einem Haus hoch; wenn er sich seinen Weg nach oben oder unten bahnt, dann bebt euer Wohnzimmer. Da taucht plötzlich ein Hubschrauber auf, Teile der eben noch sicheren Umgebung brechen einfach unter euch weg und in den Höhlen und Tempeln wartet hinter der nächsten Ecke vielleicht schon eine laute, große, eindrucksvolle und tödliche Falle. Lernkurve, Motivation, Steuerung, Atmosphäre – alles befindet sich auf ungemein hohem Niveau.
Uncharted 2 ist kein Quickie. Das hat mich als ausdauernden Liebhaber natürlich begeistert, denn es braucht schon eine Weile bis man den Abspann zu Gesicht bekommt. Wer sich wiederholt ins Abenteuer stürzen will versucht 100 im Spiel versteckte Schätze zu finden oder probiert sich am Mehrspieler. Selbigen habe ich fast komplett ignoriert, da er mich persönlich überhaupt interessiert. Dort fehlt das Gefühl von Abenteuer, es fehlt das Filmgefühl. Fairerweise sei aber erwähnt, dass sich Naughty Dog auch hier nicht die Blöße gibt und viele Leute von den Schießereien begeistert sind.
Der Vorgänger war ein tolles Spiel, Among Thieves macht aber alles besser, schöner, größer, heftiger. Selbst als Zuschauer fiebert man mit und findet gefallen an Nathans Abenteuer, das mehr oder weniger komplett ohne Kritik auskommt. Dass sich Sony meines Erachtens ein potthässliches Cover ausgewählt hat, ist so ziemlich das Einzige, worüber ich wirklich meckern kann.
________________________________________________
Genre: Action-Adventure
Entwickler: Naughty Dog
Publisher: Sony Computer Entertainment
Release: Oktober 2009
getestet: Oktober 2010 // PlayStation 3 // pal deutsch