the Last of Us : Remastered


Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig


Am Ende siegt die Natur. Jahre, nachdem ein verheerendes Virus den Großteil der Menschheit vernichtet hat, kommt die Grüne Seele unseres Planeten wieder zum Vorschein. Unkraut durchbricht den brüchig gewordenen Beton, Gräser und Blumen kriechen über Gehwege und Autobahnen hinweg, derweil die Erinnerung an Stahl, Glas und Elektronik immer weiter verblasst. Man wundert sich fast ein wenig über die Schönheit des Verfalls. Doch die Magie dieser Welt wird nur Augenblicke später jäh zerstört: Schüsse zerfetzen die Stille, Todesschreie übertönen das Gezwitscher der Vögel und abscheuliche Geschöpfe wandern zuckend durch die ausgestorbenen Straßen.

Die Apokalypse trifft die Menschen schnell, hart und grausam, was the Last of Us in einem tragischen Epilog erzählt. Direkt wird klar, mit was für einer Art Spiel man es zu tun bekommt. Doch die Kulisse wirkt nicht generisch, es ist kein normales Zombie-Szenario, nicht simpel oder platt. Die Geschichte, die sich in den nächsten 20 Stunden entfaltet, ist reif, erwachsen, ehrlich und auf ihre Art und Weise eiskalt und skrupellos. Ungeschönt irgendwie und dadurch glaubwürdig und real. Viele Dialoge und Zwischensequenzen beschreiben die Charaktere, deren Gefühle und das Miteinander. Davon profitiert der Titel nicht bloß, er lebt davon. Die Atmosphäre und das Zusammenspiel von Präsentation, Setting, Handlung und persönlichen Schicksalen ist unvergleichlich stimmig und fesselt von der ersten bis zur letzten Minute.



Erzählt wird the Last of Us aus der 3rd-Person-Perspektive und aus Sicht von Joel, einem Schmuggler, der in einer kleinen vom Militär befestigten Anlage in Boston ein abgestumpftes Dasein fristet. Rationierte Lebensmittel, Ausgangssperren und drakonische Strafen bestimmen sein Leben. Bis seine Freundin Tess ihm ein junges Mädchen vorstellt. Ellie. 14 Jahre alt, in der Dystopie aufgewachsen und für die Rebellen die Quelle eines möglichen Neuanfangs. Ellie ist immun gegen das Virus und muss unbedingt und unentdeckt zu den Fireflies gebracht werden, einer im Untergrund agierenden Gruppierung, die weit entfernt von Boston noch ein Labor in Betrieb hat.

Es ist eine gefährliche Reise und die Entwickler haben den Fokus deshalb auf den Kampf ums Überleben gerichtet – was in diesem Fall wörtlich gemeint ist. Auseinandersetzungen lassen sich bisweilen umgehen und vermeiden, allerdings nicht immer. Oft kommt es hart auf hart und Joel muss seine Widersacher mit selbstgebastelten Klingen erstechen, sie leise im Würgegriff ersticken oder mit Schlagwaffen aller Art zu Tode prügeln. Natürlich kommen auch Pistolen und verschiedene Gewehre zum Einsatz, deren durchschlagende Wirkung ein echtes Argument ist, jedoch auch alle Aufmerksamkeit auf euch lenkt. Es ist durchdacht und ziemlich tückisch, denn das Spiel bringt euch immer wieder in Situationen, in denen ein Kopfschuss zwar den Weg freimacht, der Lärm aber für jedermann zu hören wäre. Konzentriert euch lieber auf Ablenkung und Strategie, Laufwege und eine vernünftige Deckung. Erst wenn ihr euch sicher seid, siegreich vom Platz zu gehen, lohnt sich ein Vorstoß mit der Schrotflinte. Joel kann Gegner aus großer Entfernung hören und sich auf Umgebungsgeräusche konzentrieren. Dies ermöglicht euch durch Wände zu blicken und einen Vorteil gegen die mächtigen Feinde zu gewinnen. Mal sind das Untote, mal sind es Menschen. Die Begegnungen laufen gänzlich unterschiedlich ab, wobei vor allem die Passagen mit Clickern und Runnern für Anspannung sorgen. Die Verwandelten zucken irre und krankhaft durch die Flure, gurgelnd, ächzend, zum Teil weinend. Unberechenbar. Im Gegensatz zu Banditen und Plünderern jedenfalls, deren Angriffe ihr aber ebenfalls fürchten solltet. Der Survival-Aspekt hat nämlich zur Folge, dass Ellie und Joel beide nicht viel einstecken und jeder Faustschlag reichlich Energie raubt, jede Kugel euch zurückwirft und euer Ende sein kann. Die Schusswechsel sind intensiv und wer nicht hundertprozentig bei der Sache ist, zieht in nahezu jedem Kampf den Kürzeren.



Ich brauchte ein wenig Zeit, um mich daran zu gewöhnen. Irgendwann habe aber auch ich begriffen und the Last of Us als das angenommen, was es ist. Ein Spiel nämlich, mit ständig vorherrschender Munitions- und Ressourcenknappheit, fordernd und clever. Was sich dann absolut gut anfühlt. Freudestrahlend greift man zu, wenn man in den verlassenen Gebäuden oder der Wildnis Vorräte wie Alkohol und Zucker oder Material wie Leinen oder alte Kanister findet, aus denen Joel Medkits herstellen kann oder Brandsätze baut. Wie einen Schatz behandelt man gefundene Gewehrkugeln oder Medikamente. Doch auch der Weg durch vermeintlich neutrales Gebiet fordert euch immer wieder heraus. Die Rätsel sind zwar nicht übermäßig komplex, aber authentisch und gut inszeniert. Fokussiert wird hierbei das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren, die mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen nur gemeinsam vorwärts kommen. Imposant ist der Wechsel zwischen Gefechten, Erkundung und Zwischensequenzen, denn den bekommt man meist gar nicht mit. Das Remaster spielt sich flüssig und wie aus einem Guss.

Während Kletterpflanzen längst verlassene Hochhäuser erklimmen, helfe ich dem (scheinbar) ungleichen Duo einen Weg durch das Chaos zu finden. Endlich habe ich mir Zeit für dieses phänomenal gute Action-Adventure genommen und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil, meist konnte ich nur schwer das Gamepad weglegen. Zwar bringt Naughty Dog wenig neue Impulse auf die PS4, aber selten sind Telespiele so fein und liebevoll ausgearbeitet, so atmosphärisch und überzeugend. Ich sitze angespannt vor dem Fernseher und suche akribisch nach Möglichkeiten die Söldner vor mir abzulenken, damit ich Munition für meinen Revolver sparen kann. Ich bestaune die Optik, die auch viele Jahre nach dem ursprünglichen Release punkten kann, erschrecke mich immer wieder neu vor den Infizierten und tauche begeistert in die Geschichte ein, die dieses Meisterwerk erzählt. Berührend, packend, emotional. Bestnote, logisch.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Action-Adventure
Entwickler: Naughty Dog
Publisher: Sony Computer Entertainment

Release: Juli 2014
getestet: Januar 2018 // PlayStation 4 // pal deutsch