Uncharted 4 : a Thief’s End


Mein blutiger Pfad zu Gold und Juwelen


Ständig dreckig, aufgerissene Hände, laufend nasse Schuhe, knackende Knie und der Körper voller Schürfwunden. Für den Job des Abenteurers muss man wahrhaftig geboren sein. Bürokraten wie ich würden niemals den warmen Arbeitsplatz und die täglichen drei Tassen Kaffee dafür eintauschen wollen, gegen all das und Schießereien, tödliche Schluchten und zahllose Knochenbrüche. Was verpasse ich denn auch schon? Unfassbaren Reichtum mal ausgenommen.

Ich überlasse das lieber Leuten wie Nathan Drake, der eigentlich durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist. Eigentlich. Denn als Sam, Nates vor 15 Jahren verstorbener Bruder, urplötzlich wieder auftaucht, hebt das dann doch seine Welt aus den Angeln. Nachdem die beiden fast eine ganze Nacht lang gequatscht haben steht leider fest, dass erst mal keine Zeit für sorglose Familienabende bleibt. Sam steckt tief in der Scheiße und schuldet einem Drogenbaron etliche Millionen Dollar. In Form eines glänzenden Piratenschatzes übrigens. Und genau den wollten die beiden Brüder damals ja sowieso schon finden. Nathan ist entsprechend schnell überredet, holt seinen guten Freund Sully ins Team und gemeinsam macht sich das Trio auf die Suche nach dem Gold von Piratenkapitän Avery. Das jener Schatz seit guten 300 Jahren von niemandem aufgespürt werden konnte, ist vermutlich u. a. darin begründet, dass man entsprechendes Kleingeld in der Reisekasse braucht: Schottland, Madagaskar und Italien sind nur einige der vielen Reiseziele und die erkundet man zu Wasser, an Land und aus der Luft.



Die Geschichte ist spannend, zugleich aber leider etwas abgedroschen, ebenso wie die Figuren. Die agieren streng nach Klischee. Nate spielt den Naiven, Sully den Skeptiker, Sam wirkt irgendwie verschlagen und Rafe Adler mimt den tumben, impulsiven Bösewicht. Ein wenig schade ist das zwar schon, allerdings wird der Plot konsequent und hochwertig vorgetragen. Unglaublich lebensechte Dialoge, überragende Atmosphäre, tolle Performance und eine Inszenierung, die ihresgleichen sucht. Obwohl mir also die Überraschungsmomente fehlten, wurde ich zu jeder Zeit bestens unterhalten und war mittendrin. Das liegt natürlich auch an der technischen Umsetzung des Action-Adventures, welches mich mit wunderschönen Landschaften, Höhlen oder Städten geradezu umgehauen hat. Immer wieder bleibt man stehen, bestaunt knackscharfe Felswände oder sich im Wind wiegendes Gras. Butterweiche Animationen und zahlreiche, nahtlos ins Spiel eingebaute Zwischensequenzen runden das technische Meisterwerk ab, das in allen Belangen beeindruckt.

Bestaunt habe ich auch das Klettertalent von Nathan, der jeden Felsen bezwingt und wie eine Kreuzung aus Affe und Bergziege immer einen Weg nach oben findet. Kommt er mit reiner Muskelkraft mal nicht weiter, greift der Protagonist zu Seil und Enterhaken, was euch völlig neue (waghalsige) Wege eröffnet. Die Vertikale wird bei Uncharted schnell zu einem guten Freund und es ist spielerisch wie optisch eine helle Freude, in den Steilhängen für Unruhe zu sorgen. Nicht immer ganz realistisch, dafür überwältigend präsentiert und zu keiner Zeit langweilig oder monoton. Neue Bereiche erschließen und dann zu erkunden ist übrigens eure Hauptaufgabe. Immer wieder stoßt ihr auf dabei auf Hinweise zum Piratenschatz oder interessante Rätsel, tödliche Fallen und andere kleinere Herausforderungen. Kommt man mal nicht selbst auf die Lösung, hilft euch mitunter euer Sidekick weiter. Denn bei Uncharted 4 hat man fast die gesamte Spielzeit über einen Partner an seiner Seite. Das wirkt realistisch und verdichtet die Stimmung noch weiter. Vor allem kann euch die Begleitung durchaus den Arsch retten. Denn im Kampf gegen die Söldner-Übermacht von Shoreline ist jede Kugel Gold wert. Allerdings nur, wenn sich beide eine vernünftige Deckung suchen, denn ohne die ist ein Kampf schnell vorüber. Verschanzt euch also und agiert aus geschützter Position, markiert Feinde, um deren Standort im Blick zu behalten und feuert den Widersachern alles um die Ohren, was ihr habt. Nachdem Nathan bereits drei Teile Uncharted überlebt hat, stellt der Umgang mit Schrotflinten, Pistolen oder Maschinengewehren keine Herausforderung mehr für ihn dar. Noch besser als laut ratterndes Sperrfeuer ist es allerdings, wenn es euch gelingt jemanden lautlos ins Dickicht zu zerren und dort zu erwürgen. Oder einen unachtsamen Moment auszunutzen und die schwer bewaffneten Krieger von Anhöhen oder Balkonen zu treten. Jaja, der Weg zu Ruhm und Reichtum ist wortwörtlich mit Leichen gepflastert, Gnade kennt hier keiner. Wie schon bei den Vorgängern kann man den Feuergefechten übrigens dank auto-aim nochmal deutlich Tempo verleihen. Selber Zielen muss man dabei dann nicht mehr. Ist allerdings schlecht für die Kopfschussquote und die halte ich für ziemlich wichtig.



Ebenfalls wie in den Vorgängern sind Kletterpassagen und Schusswechsel recht deutlich voneinander getrennt. Das bemerkt man zwar, negativ fällt es jedoch nicht ins Gewicht. Ohnehin ist es gar nicht so leicht überhaupt einen Makel an diesem überragenden Titel auszumachen. Sagenhafte Technik, famose Spielbarkeit, hohe Motivation und in Sachen Unterhaltungswert sprengt a Thief’s End jedwede Skala. Denn auch wenn ich die Story als abgedroschen bezeichnet habe passiert einfach so unglaublich viel auf dem Schirm, dass man kaum Zeit hat darüber nachzudenken. Naughty Dog hat es nicht für nötig gehalten das Spiel in irgendeiner Form zu strecken, es gibt keinerlei Längen. Und das, obwohl es eben nicht bereits nach sechs oder sieben Stunden zu Ende ist. Wer danach immer noch Lust hat, ganz anders als ich, unbekannte menschliche Spieler über den Haufen zu schießen, der kann sich online ein wenig austoben. Ist nicht so meins, soll aber ganz okay sein. Nein, ich suche dann lieber noch ein paar der vielen versteckten Schätze, ärgere mich über zu wenige Kopfnüsse und erfreue mich ansonsten an diesem bewegenden, spannenden und haarsträubend brillanten Action-Adventure.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Action-Adventure
Entwickler: Naughty Dog
Publisher: Sony Interactive Entertainment

Release: Mai 2016
getestet: November 2017 // PlayStation 4 // pal deutsch // Limited Edition