Ni No Kuni II : Schicksal eines Königreichs


Secret of Evermore


Wer sich ein kleines bisschen für die japanischen Märchen von Studio Ghibli interessiert, hat sicherlich schon mal was von Ni No Kuni gehört. Einer relativ frischen RPG-Serie von Level-5, die, unterstützt durch das genannte Zeichentrickfilmstudio, vor allem durch malerische und fantasievolle Atmosphäre punkten möchte. Zwar hat sich Ghibli am zweiten Teil nicht mehr direkt beteiligt, der Komponist und die Charakterdesigner sind aber an Bord geblieben. Das exklusive PS4-RPG sieht also immer noch aus wie ein echter, liebenswerter Anime. Leider bleibt das die größte Stärke des Titels, dessen Gameplay mit der hervorragenden Technik nicht mithalten kann.

Schon die Geschichte hat mich nicht gepackt. Ihr übernehmt die Rolle von Roland, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, der nach einem Raketenangriff das Bewusstsein verliert und in Ding Dong Dell wieder zu sich kommt. Genauer gesagt im Schloss des jungen Königs Evan Tildrum, der gerade zum Opfer eines gewaltsamen Militärputsches wird – angeführt von einer riesigen Maus. Roland gelingt es Evan zu retten und gemeinsam glückt ihnen die Flucht, was gleichzeitig den Neustart für das ungleiche Protagonisten-Paar markiert. Zukunftspläne? Während Roland sich überraschend schnell damit abfindet jetzt in einer bizarren Fantasiewelt zu leben, möchte Evan das wirklich tollste Königreich aller Zeiten gründen, in dem sich Frieden, Lebensfreude und Rechtschaffenheit die Hand reichen. Im ersten Schritt brauchen sie dafür einen königlichen Schutzpatron, den sogenannten Kingmaker. Eine abenteuerliche Reise beginnt, bei der ihr auf viele neue Freunde und Feinde treffen werdet.



Kindgerechter als ich angenommen hatte, jedoch ist das grundsätzlich kein Problem. Ich habe Level-5 das Szenario aber nicht abgekauft. Wie kann der uncharismatische Evan eine treue Gefolgschaft um sich scharen? Wieso reicht es für die Gründung eines Königreichs aus, einfach ein Stück freies Land zu besetzen? Wieso entdecke ich bei so vielen Missionen einen unnötigen moralischen Zeigefinger? Um ehrlich zu sein ist mir Ni No Kuni II einfach zu platt. Die Charakterentwicklung hat mich enttäuscht und sämtliche Figuren sind viel zu offensichtlich in Gut und Böse aufgespalten. Ja, ich habe das Spiel gute 30 Stunden vor dem Abspann abgebrochen, aber ich bezweifle, dass hier noch viel passiert wäre. Eine Bindung zu den Figuren habe ich nicht gespürt und wie es weitergeht, wollte ich unterm Strich auch nicht wissen.

Das Kampfsystem des Vorgängers wurde mehr oder minder unverändert für Revenant Kingdom übernommen. Echtzeit-Gefechte bei denen ihr selbst die Kontrolle über die Figuren habt und mit O- oder Quadrat-Taste eure Waffen sprechen lasst. Leicht zu erlernen, jedoch auch nichts besonderes. Etwas mehr sprichwörtliche Magie kommt dann mit euren Schutz- und Angriffszaubern ins Spiel. Roland wirbelt beispielsweise mit seinem Schwert direkt durch größere Gegnergruppen, während Batu mit seinem Cannon Shot für feuriges Unheil sorgt und Evan eure Verteidigung verbessert. Nicht immer lohnt sich der Invest eurer Magiepunkte jedoch, den Fähigkeiten fehlt es etwas an Balance. Ein noch größeres Problem hat das Spiel aber mit der Übersicht. Die geht in den hektischen Gefechten schnell verloren und kommt auch nicht wieder. Das wenig taktische Kampfgeschehen kombiniert sich ungünstig mit der wackeligen Kamera, so dass Angriffe oft den falschen Gegner treffen, ins Leere gehen oder man seine Helden ganz aus den Augen verliert. Aufgrund des niedrig angesetzten Schwierigkeitsgrades bleiben einem frustige Tode zwar erspart, umgekehrt sind dadurch jedoch die meisten Kämpfe nach kurzem Button-Mashing vorbei. In Dungeons und auf der großen Landkarte könnt ihr den Auseinandersetzungen übrigens grundsätzlich ausweichen, wenn ihr schnell genug seid. Doch Vorsicht: Obwohl ihr unachtsame Feinde nicht mit Überraschungsangriffen überfallen könnt, können diese wiederum euch ganz plötzlich attackieren, was mit Nachteilen im Kampf verbunden ist.



Wer nicht kämpft oder sich mit den zahlreichen NPCs unterhält, der befindet sich vermutlich gerade auf der großen Weltkarte. Hier und da lassen sich Höhlen und Wälder erschließen, alles in allem gibt es aber nicht wirklich viel zu sehen. Ein paar Schatztruhen und gelegentlich potentielle neue Bewohner eures Königreichs. Ansonsten ist das Ganze eher zweckmäßig gestaltet, lädt aber zu zwei Minispielen ein: Die Skirmish Battles einerseits, bei denen ihr in einem rudimentären Strategiespiel neuen Grund und Boden gewinnen könnt. Andererseits will euer Königreich seine Wirtschaftlichkeit in Form einer ebenfalls eher oberflächlichen Aufbausimulation unter Beweis stellen. Baut Fabriken, setzt dort fähige Mitarbeiter ein, investiert in Forschung und Entwicklung, produziert und generiert, um so an Gold zu kommen. Beides nett. Level-5 hat hier aber mehr gewollt, als dem Spiel am Ende guttut.

Ni No Kuni ist nicht schlecht. Ich hatte bloß gänzlich andere Erwartungen. Es ist kein reifes Spiel mit tiefgründigen Charakteren oder taktischer Finesse. Es ist in vielen Belangen etwas eindimensional, dann stellenweise wieder unpassend komplex und insgesamt plätschert es für mich zu sehr vor sich hin. Es entstand kein Sog, es fehlte das Feuer. Selbst die Technik, die ich eingangs gelobt habt, muss mit Höhen und Tiefen leben. Der Sound im Menü ist wunderbar, im Spiel stellenweise fürchterlich. Dialoge und Zwischensequenzen hätten es ein paar mehr sein dürfen und selbst die eigentlich famose Optik leidet hier und da unter der Kargheit des Titels. Dabei ist die Grafik insgesamt knackscharf, flüssig, randvoll mit Effekten und interessanten Monstern und geprägt von satten Farben und einem unnachahmlichen Anime-Charme. In Summe war ich aber enttäuscht von Revenant Kingdom, vor allem spielerisch. Schade und traurig, aber über ein 'ausreichend' kommt der Titel für mich nicht hinaus.


★★★     (ausreichend)

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Genre: RPG
Entwickler: Level-5
Publisher: Bandai Namco Entertainment

Release: März 2018
getestet: Dezember 2018 // PlayStation 4 // pal deutsch