Grüne Wiesen und blauer Himmel, dichte Wälder, schneebedeckte Berggipfel. Hyrule ist ein malerischer Flecken Erde mit vielen kleinen Dörfern, friedliebenden Bewohnern und magischen Geschöpfen, das Zuhause von zahllosen Pflanzen und Tieren. Reisende Händler bieten feinste Waren an, heimelige Lagerfeuer laden zum Kochen ein und hier und dort warten Geheimnisse darauf, entdeckt zu werden. Doch der Schein trügt. Hyrule blickt auf eine lange Geschichte im Kampf gegen das Unheil zurück. Und das Böse stirbt niemals so ganz. Zehntausend Jahre nach seiner vermeintlichen Vernichtung kehrt Ganon zurück und stürzt das Königreich abermals in den Abgrund. Formlos zwar, jedoch mächtiger als jemals zuvor, korrumpiert Calamity Ganon die königlichen Verteidigungsanlagen und streckt am Ende eines langen Kampfes sogar Link nieder, unseren Helden, den Träger des Master Schwerts. Alles scheint verloren. Nur Prinzessin Zelda höchstselbst kann die Dunkelheit aufhalten. In einem scheinbar ewigen Duell gelingt es ihr, dass Ungetüm in Schach zu halten. Doch ihre Kräfte schwinden.
Als Link 100 Jahre später aus einem tiefen Schlaf erwacht, dauert der Kampf immer noch an. Seine Wunden sind zwar verheilt, seine Erinnerungen jedoch ausgelöscht, das Master Schwert verschwunden, seine Herzcontainer dezimiert. Geblieben ist sein Feuer, seine Ehre und Kampfesmut. Breath of the Wild beginnt, mit dem Nintendo einen neuen Weg einschlägt und mit vielen liebgewonnenen Traditionen bricht – aber umgekehrt den dringend benötigten frischen Wind ins Spiel bringt. Das Action-Adventure ist gigantisch groß und detailverliebt, so dass es mir immer wieder den Atem verschlagen hat. Ich bin erfroren, verhungert, habe in der Steppe die Orientierung verloren, bin auf der Jagd nach seltenen Pilzen an Steilhängern herumgeklettert, überfalle nachts ganze Horden schlafender Moblins, segle im Gleitflug über die brütend heiße Wüste, koche, reite, kämpfe und arbeite. Mit jedem Schritt werde ich klüger und stärker, obwohl es keine Erfahrungspunkte gibt. Zelda schafft etwas, dass nicht vielen Spielen gelingt: Es passiert alles ganz nebenbei, ungezwungen und wie von allein. Ich selbst will neue Waffen ausprobieren, verliere mich in spannenden Sidequests, erforsche und experimentiere und versuche nach und nach hinter die Mysterien von Hyrule zu kommen. Das fühlt sich gut an. Die stimmige Welt hätte atmosphärischer nicht sein können. Ich staune, werde überwältigt, fühle mich wie ein echter Abenteurer.
Um für dieses Epos gewappnet zu sein, muss ich Bogen und Schild souverän bedienen. Link kann aber auch Knüppel aufheben oder Lanzen benutzen, Bomben werfen oder Wasser in Eis verwandeln. Später manipuliert er sogar die Zeit. Je weiter man kommt und je mehr Leute man kennenlernt desto mehr Fähigkeiten nehmt ihr in euer Repertoire auf. Man kommt dahinter, dass die richtige Kleidung effektiv schützt und wie wichtig eine gute Mahlzeit zur rechten Zeit sein kann. So bekämpft man Hitze und Frost, kann länger klettern. Alles in eigenem Tempo, alles in Balance, alles faszinierend. Was sich ungemein positiv auf die Motivation auswirkt. Denn auf ein reguläres Zelda, bei dem man schon auf den ersten Blick weiß, was man zu tun hat, hatte ich keine Lust mehr. Mit Breath of the Wild allerdings, hat sich Nintendo ein Denkmal gesetzt. Oft hatte ich keine Idee, wie genau es weitergehen könnte. Selbst nach 90 Stunden Spielzeit stellt sich nicht das Gefühl ein, man sei bestens auf alle Gefahren vorbereitet oder hätte alles im Griff. Die Serie wurde komplett umgekrempelt, sinnvoll erweitert und optimiert. Die Welt ist in sich glaubhaft und schlüssig, garniert mit vielen Details. An nassen Felsen kann man beispielsweise nicht hochklettern – und wenn ein Gewitter aufzieht, kann eine metallene Rüstung zur Todesfalle werden.
Nur eine Sache gibt es, die mich wirklich traurig macht und die so schwer wiegt, dass sie sich fast auf die Note ausgewirkt hätte: die Tempel. Wenn man Wald-, Wasser-, und Feuertempel liebt, dann fehlt bei BotW etwas, obwohl solche Dungeons dem Titel ausgezeichnet zu Gesicht gestanden hätten. Doch auch hier regiert die Veränderung. Es gilt stattdessen kleinere Altare zu erforschen, die zumeist aus wenigen Räumen bestehen und sich zudem optisch gleichen. Ja, es gibt ziemlich viele davon. Und die Knobelaufgaben, die man darin vorfindet, sind gut gemacht und funktionieren, rücken Links Spezialfähigkeiten in den Fokus. Es kommt auf Timing und Geschick an, nicht selten braucht es auch etwas Kreativität. Kurz gesagt: Es macht Spaß, sich den teilweise knackigen Aufgaben zu stellen. Die Stimmung und den Umfang eines richtigen Tempels jedoch, den haben sie nicht mal ansatzweise. Die vier etwas größeren Dungeons, die einzigartiger und wesentlich stimmungsvoller sind, übrigens leider auch nicht. Nicht wirklich als Alternative gedacht, aber trotzdem ziemlich faszinierend, fand ich indes die Shiekah-Türme, die Link erklimmen muss, um die Umgebung in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
Breath of the Wild kompensiert das Fehlen der Tempel insgesamt meisterlich. Die vielen Charaktere, das sagenhafte Gefühl echter Freiheit, eine herrliche Geschichte, die unkomplizierte Charakterentwicklung, die Vielfalt im Missionsdesign oder eurer Bewaffnung. Ob ihr nun Zutaten sammelt, weil ihr ein Rezept nachkochen möchtet oder im Stealth-Outfit ein feindliches Lager überfallt. Zelda ist facettenreich, dynamisch, idyllisch, mysteriös, wunderbar – es begeistert auf ganzer Linie. Einschüchternd komplex, dann im Kern aber herrlich intuitiv. Man kann stundenlang durch Hyrule reisen, ohne ein konkretes Ziel zu verfolgen, versucht die vielen Geheimnisse zu lüften oder sich auf den nächsten Kampf vorzubereiten. Das ist nicht immer ein Spaziergang, eure Widersacher sind zumeist ziemlich stark, so dass die richtige Taktik und eine vernünftige Vorbereitung echte Wunder wirken. Nintendo hat den Grundstein für ein völlig neues Zelda gelegt. Der alte Charme ist geblieben, obwohl sich so vieles verändert hat. Dinge jedoch, die schon jetzt kaum mehr wegzudenken sind. Verliebt in ein Action-Adventure.
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Genre: Action-Adventure
Entwickler: Nintendo EPD
Publisher: Nintendo
Release: März 2017
getestet: November 2021 // Nintendo Switch // pal deutsch