Gears Tactics


Deckung, Feuer, Overwatch


Mein letzter taktisch-strategischer Ausritt führte mich noch ins Pilzkönigreich, mit Super Mario und ein paar niedlichen Kaninchen. Gears ist ein entsprechend harter, blutiger Kontrast. Erstmals löst sich the Coalition von der 3rd-Person-Perspektive und begibt sich in isometrische Höhen, um das Schlachtfeld ganz anders zu betrachten, als man es von den bulligen Kriegern gewohnt ist. Streng rundenbasiert navigiert ihr euren Trupp von Deckung zu Deckung und nehmt die aggressiven Locust Runde für Runde unter Beschuss. Und während mir bei Mario + Rabbids maximal der Popo in Flammen stand, zerfetzt man seine Gegenüber hier mit Mulcher und Co., zersägt sie mit dem Lancer wortwörtlich in Stücke oder schlägt ihnen mit schwerem Gerät den Kopf ab.

Die Geschichte setzt in einer frühen Phase des Krieges auf Sera an. Die Locust fallen über die Menschen her und können nur noch mit dem Hammer of Dawn gestoppt werden, was jedoch mit der völligen Zerstörung vieler Städte und Siedlungen einhergeht. Gabriel Diaz, unser Protagonist, bekommt inmitten dieser Katastrophe einen Sonderauftrag zugewiesen. Ukkon heißt eure Nemesis, ein Forscher aus den Reihen der Locust, der mit Hilfe eines Gases offenbar Unsterblichkeit erlangt hat. Jene gelbe Imulsion steht nun im Fokus eurer wild gemischten, aber schlagkräftigen Truppe, die den grausamen Experimenten ein Ende bereiten soll.



Für Serien-Veteranen ein bisschen dünn und vorhersehbar, aber Flair und Atmosphäre wurden gut eingefangen. Die muskulösen Gears, der verwüstete Planet mit seiner klobigen Architektur, brüllende Locust und fulminant explodierende Granaten. Alles drin. Das dystopische Spin-off lässt es genrebedingt zwar deutlich ruhiger angehen, als man das von Gears kennt, aber es passt. Vor jeder Schlacht könnt ihr in eurem Camp diverse Einstellungen an Ausrüstung und Bewaffnung vornehmen und beispielsweise voll auf Schaden setzen oder eure vielen Talente verbessern. Jede Figur hat einen eigenen Skilltree und darüber hinaus sind die Soldaten in verschiedene Klassen eingeteilt. Den eingangs erwähnten Mulcher können nur die Heavys bedienen, Scouts sind mit Schrotflinten bestens für den Nahkampf gerüstet, es gibt Vanguards, die auf klassische Lancer stehen, oder Support-Einheiten, die u. a. heilende Granaten werfen können.

Wer hätte das gedacht: Vier Sniper tun sich in den meisten Schlachten wesentlich schwerer als eine gut ausbalancierte Truppe. Nur so kann man richtige Synergieeffekte erzeugen, die vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden unabdingbar sind. Ich habe mich nur in den normalen Modus gewagt, der zeitweise ein wenig schwankte. Harter Einstieg, dann wurde es aber irgendwann relativ einfach. Am besten gefallen haben mir die Schlachten, bei denen ich mein Team häufig in den Overwatch-Modus versetzen konnte. Damit kann man einen gegnerischen Angriff abfangen, obwohl man nicht an der Reihe ist. Kommt ein Locust auf euch zugestürmt, aber jemand ist im Overwatch, ballert er freudig und aus allen Rohren drauf los. Das macht vor allem gegen die schnellen Wretches Sinn, gegen Grubs mit Schrotflinten und die fies explodierenden Ticker. Alle anderen Kreaturen nehmt ihr ansonsten im Idealfall in die Zange, versucht deren Deckung zu umgehen und sie zu flankieren. Die Steuerung funktioniert, das Spiel ist nicht überfrachtet und dank der feinen Optik und der tollen Akustik ist es immer wieder eine Freude, wenn Schüsse übers Schlachtfeld jagen, Granaten explodieren oder ein Kopfschuss sein Ziel findet.



Es macht wirklich Laune, die Protagonisten nach und nach immer weiter zu spezialisieren. Die verschiedenen Ausrüstungsgegenstände steigern eure kritische Trefferquote, machen euch resistenter gegen verschiedene Angriffe, ihr könnt Trommelmagazine an die Waffen packen oder die Präzision verbessern. Fähigkeiten wiederum heilen euch, treiben den Gegner aus seiner Deckung, machen euch temporär unsichtbar oder steigern dramatisch den Schaden. Im Kampf nutzt man, je nach Klasse, dann noch die tödlichen Nahkampf-Optionen mit z. B. dem Lancer. Witzig übrigens: Schießt man einen Gegner nur zu Klump, so dass dieser verblutend am Boden liegt, kann man ihn natürlich auch hinrichten. Die eigenen Teammitglieder werden dadurch so sehr motiviert, dass sie einen Actionpunkt gratis erhalten. Achja, Actionpunkte. Die braucht man, um die Figuren zu bewegen, nachzuladen, Overwatch einzuleiten oder das Feuer zu eröffnen, also für jede erdenkliche Aktion. Standard sind drei Punkte je Soldat und Runde.

Meine Strategiewelt wäre also vollends in Ordnung gewesen, ginge Gears Tactics nicht so schnell die Luft aus. Es ist einfach zu wenig Abwechslung vorhanden. Zwischen den größeren Story-Missionen, die ebenfalls die Vielfalt vermissen lassen, habt ihr laufend kleinere Aufgaben vor der Brust, die sich immer und immer wiederholen. Haltet die Stellung und sammelt Ressourcen, befreit in Gefangenschaft geratene Gears oder zerstört Behälter voll Imulsion, die irgendwo in der Gegend herumstehen. Macht alles Spaß, natürlich, aber es fühlt sich gewissermaßen belanglos an. Das ist schade, denn das Feintuning der Gears macht Sinn und Laune. Bloß fehlen weitere Endbosse. Und wo gibts neue Landschaften und vielleicht Waffen? Leider reicht das Dargebotene nicht, um nachhaltig zu begeistern. Dazu ist es dann in letzter Konsequenz einfach in (fast) allen Belangen zu dünn.

Doch bevor wir uns an dieser Stelle missverstehen: Nur, weil Tactics kein Meisterwerk ist, gehört es nicht auf die Ersatzbank. Ein handwerklich absolut gelungenes Strategiespiel mit sauberer Technik und hervorragender Spielbarkeit inkl. Steuerung auf Konsolen. Gibt es in der Form auch nicht alle Tage. Zwischendurch gabs ein paar Tiefen, aber dann erlebt man immer wieder Momente, in denen eine unachtsame Drone mitten in euren Overwatch läuft und binnen Sekunden komplett zerfetzt wird, eure Deckung hält, tödliche Umwelteinflüsse nur den Feind treffen und ihr dank cleverer Nutzung eurer Fähigkeiten direkt wieder am Zug seid. Und wenn so ein Plan aufgeht, fühlt man sich zweifelsfrei wie der intelligenteste Mensch der Welt.


★★★★★     (gut)

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Genre: Strategie
Entwickler: Splash Damage & the Coalition
Publisher: Xbox Game Studios

Release: November 2020
getestet: September 2021 // Xbox Series X // digital // Englisch