Call of Duty : Modern Warfare II


„These things take violence and timing, I can do both.“


Keine Feuerpause, keine Gnade. Jedes Jahr, immer wieder. Wenn es draußen langsam dunkler und herbstlicher wird, dann ist es Zeit sich die guten Kopfhörer aufzusetzen, ein kaltes Bier zu öffnen und hellwach vor den Fernseher zu knallen. Den Controller fest umschlungen. Das neue Call of Duty wartet. Neu darf dabei durchaus in Anführungsstriche gesetzt werden, da sich am grundlegenden Konzept von anno 2003 gar nicht so dramatisch viel geändert hat. Aber neu ist ja auch nicht immer gut. Ich jedenfalls bin freudig-aufgeregt in mein ganz persönliches 15. Kapitel des Ego-Shooter-Blockbusters gestartet, bei dem es diesmal um die Bedrohung der westlichen Welt durch vier gestohlene Langstreckenraketen geht.



Und um viel mehr. Im Spielverlauf erfährt man, wie die Raketen den USA abhandengekommen sind und wer dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Es geht um Verrat, Russland, und innenpolitische Machtspielchen. Wie immer wirkt der Plot durch schnelle Schnitte, zügige Szenenwechsel und unterschiedliche Perspektiven auf den ersten Blick etwas verwirrend, hier allerdings nur für einen kurzen Moment. Im Vergleich zu anderen Call of Dutys ist diesmal alles gut nachvollziehbar und im Kern eher simpel. Die Handlung punktet mehr durch ihre starken Charaktere, die zumindest in meiner Wahrnehmung selten so im Fokus standen. Natürlich kenne ich Ghost, Soap und den Captain schon seit vielen Jahren, aber in diesem Fall haben sie das Spiel regelrecht getragen. Längere Dialoge bekräftigen die Kameradschaft und heben auch mal den ein oder anderen Gedankengang derer hervor, die in der Vergangenheit für mich viel zu oft just austauschbare Soldaten gewesen sind. Wir dringen gewiss nicht in epische Gefilde vor, aber mich hat das Miteinander diesmal voll abgeholt und Modern Warfare II somit ein ganzes Stück sympathischer gemacht. Toller Cast!

Gun- und Gameplay haben sich indes nur wenig verändert. Genau wie der große Publisher im Hintergrund sehe auch ich dazu keinen Anlass. Wer einen dynamisch-direkten, kompromisslosen und hervorragend funktionierenden Ego-Shooter sucht bekommt hier genau das. Keine Charakterentwicklung, keine Anpassungsmöglichkeiten. Sondern im Regelfall intensive Feuergefechte, actionbetonte Kämpfe und jede Menge Feuerwerk. Wirklich jede Menge. Stärken der Serie, die viel zu oft kleingeredet werden. Fehlenden Innovationen zum Trotz ist CoD ein Wirtschaftswunder und bricht regelmäßig neue Verkaufsrekorde. Außerdem wird MWII im Stile eines echten Blockbusters im Hintergrund von jeder Menge Getöse begleitet. Das meint Werbung, aber viel mehr das Rahmenprogramm. Wobei dieses Wort der Sache nicht gerecht wird. Die Kampagne ist nur ein kleiner Teil des Spiels, das mittlerweile sogar einen eigenen Hub spendiert bekommen hat. Dort findet ihr dann den weiterhin beliebten Zombie-Modus, aber auch diverse Mehrspieler-Varianten und logischerweise auch die Warzone. Alles in allem ein mächtiges und üppiges Paket, so man sich denn für jeden Aspekt interessiert. Ich selbst kann das nicht behaupten. Seit Jahren spiele ich eigentlich nur noch die Kampagne und hüpfe gelegentlich mal durch ein paar Deathmatch-Lobbys.



Obwohl es im Prinzip denselben Namen trägt, hat MWII nichts mit MW2 zu tun, man teilt sich lediglich die Zeit, in der die Handlung angesiedelt ist, und diverse Charaktere. Die Kampagne des Shooters aus 2009 ist allerdings mit im Paket enthalten. Ein feiner Zug. Beim neuen Modern Warfare dreht sich alles um den besagten Raub und die damit verbundene Bedrohung durch vier gewaltige Langstreckenraketen. Diese wurden den USA entwendet und sind in fiktiv-arabische Hände gefallen. In der Haut von mehreren Elitesoldaten ist es nun auch euch jene Bedrohung abzuwenden und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei bereist ihr sowohl reale als auch erdachte Schauplätze, also beispielsweise das absolut echte Amsterdam wie auch das völlig unechte Urzikstan. Jene Elitesoldaten sind alte Bekannte mit eigenen Hintergrundgeschichten und Eigenschaften, die m. E. stärker in den Fokus gerückt wurden. Das wirkt sich positiv auf die Atmosphäre aus, die aufgrund der überragenden Inszenierung ohnehin schon am Limit ist. Imposant visualisiert mit toller Ausleuchtung, vielen Details und Effekten ist MWII ein fulminantes Schauspiel in Bild und Ton, zieht einen schnell in seinen Bann und lässt mich vor dem Bildschirm strahlen. Es ist ein wilder Ritt, eine Achterbahnfahrt – ein Erlebnis. Irgendwie authentisch, dann aber doch ganz viel Kinofilm. Daher verstehe ich es persönlich nicht, dass man jene Dauerfeuer-Trance immer wieder mit Missionen unterbricht, in denen man z. T. unbewaffnet und alleine unterwegs ist. Abwechslung. Okay. Ich will aber keine Bomben aus Kerzenwachs und Waschbenzin bauen oder Fahrzeuge durch den Gegenverkehr steuern. Ich will mit einem Gewehr im Anschlag alles zu Klump ballern.

CoD fühlt sich gut an. Direkt und rigoros, zugänglich. Man ist gewissermaßen positiv gestresst wenn man mit Nachtsichtgerät und Maschinenpistole ein besetztes Gebäude stürmt, mit schallgedämpfter Pistole eine ganze Bohrinsel infiltriert oder es mit schweren Geschützen auch mal mit Teilen der mexikanischen Armee aufnimmt. Wird die geringe Komplexität in diesem Fall also zu einem Luxusgut? Erkauft wird sich das mit geringem Umfang. MWII ist ein kurzes Vergnügen. Was eindeutig die Spielzeit meint, aber auch die begrenzten Möglichkeiten: Kein Deckungssystem, keine Individualisierung, enge und kleine Level. Limitiert wenn man es negativ ausdrücken möchte, geradlinig wenn man es positiv beschreibt. Tun kann man bei CoD jedenfalls nicht wirklich viel und entdecken ebenfalls nicht. Man hat nicht mal Zeit sich an eine bestimmte Waffe zu gewöhnen. Das funktioniert allerdings im Multiplayer und dort dann wiederum bis ins kleinste Detail. Abseits der Gefechte können Loadouts erstellt werden, man beschäftigt sich mit Perks, Waffenaufsätzen oder todbringenden Killstreaks. Alles in allem ist Call of Duty wieder mal ein eindrucksvoller Ausflug, hat mich aufgrund der leisen Missionen und des geringen Umfangs aber nicht komplett mitgerissen.


★★★★★     (gut)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Infinity Ward
Publisher: Activision

Release: Oktober 2022
getestet: Januar 2024 // Xbox Series X // digital // Englisch