Ich gerate ins Stottern. „Ähm. Ja. Nein. Also man hat ein Hochdruckreinigungsgerät und macht dann Häuser und Autos sauber, joa. Auch mal ein Boot.“ Stille. Ich komme mir dumm vor. Wo sind meine Argumente? Ich habe doch gerade erst drei Stunden lang ganz herrlich einen Foodtruck von oben bis unten blitzblank gesäubert. Der strahlte am Ende heller als die Sonne. Aber wenn ich versuche das zu beschreiben oder dieses Gefühl zu benennen, dann fehlen mir die Worte. Er sieht ja nicht mal gut aus, der PowerWash Simulator – der auch wirklich einfach nur genau das ist. Ohne Musik. Ohne Story. Ohne Tiefgang. Und wenig spielerischer Finesse. Doch all diesen Fakten zum Trotz, hat dieses etwas exotisch anmutende Spiel nicht nur mein Herz erobert, sondern zahllose Gamer davon überzeugt, wie wichtig Sauberkeit tatsächlich ist.
Gut. Mir musste man das jetzt nicht zwei Mal sagen. Mit einem wöchentlich fest etablierten Aufräumtag, bei dem ich Staubtücher, Putzlappen, Lineal und Staubsauger entschlossen durch die Wohnung schwinge, obwohl tags zuvor die Reinigungskraft da war, gehe ich überzeugt als Vorbild voran. Reinlichkeit ist Trumpf, Ordnung ist das ganze Leben, Dreck wird vertrieben und beseitigt. Andererseits erklärt das kaum, wieso ich gerne bräsig auf der Couch sitze bzw. fast schon liege, die Bundesligakonferenz höre und dabei mit einem virtuellen Hochdruckreiniger Skulpturen und Fassaden abspritze. Aber ich tue es. Immer wieder. Mal in kurzen Etappen, aber auch mal in längeren Sessions. Die Prozentanzeige am oberen Bildschirmrand fungiert dabei als Taktgeber. „Drei Prozent noch“, sage ich mir im Geiste. Die je nach zu reinigendem Objekt mal wenige Sekunden bis zu einigen Minuten Zeit in Anspruch nehmen können. Es scheint mit dem Belohnungssystem im Hirn zusammenzuhängen. Muss es. So wie man gerne dunkel auf hell streicht. Weil man den Fortschritt direkt sieht. Weil es simpel ist. Befriedigend. Und jedes gereinigte Teil auf einmal wieder Farbe hat. Ja. Irgendwie ist es einfach geil, den schwarzen Dreck wegzusprühen und direkt den Erfolg zu sehen.
Mittlerweile habe ich den PowerWash Simulator sogar gekauft. Er ist seit dem Release im Game Pass erhältlich und eigentlich hätte ich das Kleingeld nicht in die Hand nehmen müssen. Aber ich wollte es. Sogar einige Bonusinhalte habe ich erstanden, die übrigens ziemlich wunderbar gelungen sind. SpongeBob? Alice im Wunderland? Zurück in die Zukunft? Count me in! Zuletzt bin ich also mit dem Hochdruckreiniger durch Bikini Bottom marschiert und habe anschließend den Delorian wieder hübsch gemacht. Wie hingegen alles begann, weiß ich kaum noch. Es gibt tatsächlich einen Karrieremodus, in dem man startet. Und auch wenn ich eingangs eine fehlende Story bemängelt habe, so gibt es einen Hauch von Hintergrundgeschichte in eben jenem Modus. Allerdings beschränkt diese sich auf eine Handvoll Textnachrichten in jeder Mission – und belanglos ist das obendrein. Dass ich ein Kleinunternehmer bin, der seine Selbständigkeit beginnt und mühsam Geld verdienen muss, um sich bessere Ausrüstung oder Reinigungsmittel kaufen zu können, gerät ziemlich zügig in den Hintergrund. Wasser sparen? Unnötig. Empfindliche Materialien? Gibt es nicht. Man sprüht drauf los. Einfach so und dauerhaft. Vermutlich ist jenes entspannte Gameplay auch der Grund dafür, dass ich mich gar nicht erst in den zeitbasierten Modus begeben habe. Putzen ist doch nichts für die Stoppuhr! Das kommt von Herzen.
Satellitenschüssel und Vorgarten, Feuerwache und Flugzeug. Egal auf welches Objekt man die Düse richtet, it’s done when it’s done und dann blitzt und glänzt es. Alle Objekte sind in schier zahllose Einzelpositionen unterteilt, so dass man regelmäßig mit einem Sound der Bestätigung belohnt wird. Beispielsweise wenn das linke Rad des Feuerwehrautos sauber ist oder der Grillrost im Food Truck. Mal gibt sich der PowerWash Simulator sehr kleinteilig, ich denke da an die Technik auf dem Delorian, mal sehr großflächig. Das erinnert mich wiederum ans Baumhaus, an dem ich vermutlich vier Stunden gearbeitet habe. Doch wie Arbeit kommt es einem dann irgendwie doch nicht vor. Neben dem Bestätigungston gibt es ein kurzes visuelles Feedback wenn ein Teil sauber ist. Und am Ende kann man im Menü prüfen, was man vergessen hat. Das geht auch direkt aus dem Spiel heraus via Digikreuz, quasi ein Schnell-Check. Dieser macht weiterhin verunreinigte Bereiche kurz sichtbar. Am Ende eines Levels braucht man diese Taste regelmäßig, hämmert fast schon drauf herum.
Was mir als Profi an Equipment zur Verfügung steht, muss man sich als Anfänger erst verdienen. Am Ende gehören zu eurer Ausstattung mehrere Geräte und Düsen, Aufsätze und Verlängerungen. Je nach Objekt und Lage der verschmutzen Stelle wechselt man laufend zwischen den Aufsätzen hin und her, nutzt einen konzentrierten Wasserstrahl oder besprüht direkt eine große Fläche. Es wird mit jedem Level und jedem Stück Ausstattung leichter und komfortabler. In fast allen Leveln stehen euch darüber hinaus ein Tritt oder eine Leiter zur Verfügung, ab und an sogar ein Baugerüst, um höhergelegene Stellen zu erreichen. Das alles lässt sich mit einem Tastendruck dort platzieren, wo es gebraucht wird. Obwohl man die Sachen für das verdiente Geld nach und nach einkauft, ist das Ganze absolut nicht komplex oder strategisch und wird schnell zur Nebensache. Wobei ich mich über die rotierende Hochdruck-Spezialdüse, die sich anfühlt wie ein mächtiger Dreizack, tatsächlich gefreut habe wie ein kleines Kind.
Ich habe in den letzten 35 Jahren meiner Gaming-Karriere viel gesehen, bizarre und absurde Konzepte bestaunen können. Die Simulator-Spiele gehören ja im Prinzip allesamt dazu. Der PowerWash Simulator vielleicht noch ein Stückchen mehr. Schön, dass es ihn gibt. Objektiv kein gutes Spiel. Subjektiv ne echt saubere Sache.
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Genre: Sonstiges
Entwickler: FuturLab
Publisher: Square Enix Collective
Release: Juli 2022
getestet: August 2024 // Xbox Series X // digital // Englisch