Es ist die letzte Chance für Forza, jedenfalls für mich. Denn nachdem mir Teil 4 zu langweilig war und Horizon gefühlt am Thema vorbeiging, muss nun die fünfte Episode alles richten. Dabei stehen die Vorzeichen denkbar schlecht: Mehr Leistung in der Konsole, aber weniger Strecken und Fahrzeuge im Spiel. Endlich eine Cloud, die bei der KI aushilft, aber kein Tag-Nacht-Wechsel. Und obwohl ich die richtig teure Limited Edition gekauft habe, möchte man mich mit Mikrotransaktionen weiter zur Kasse bitten.
Doch es ist nicht alles faul, was riecht, denn auch wenn die Vorfreude durch viele Hiobsbotschaften getrübt wurde, sagt das alles herzlich wenig über den tatsächlichen Spielspaß aus. Der erste Blick auf das Rennspiel ist nämlich traumhaft. Wunderschöne Fahrzeuge, detaillierte Rennstrecken, flüssiges Gameplay (bei bis zu 16 Fahrzeugen) und verschwenderisch viele Details. Forza fegt mich nicht gänzlich vom Hocker, ist aber das schönste Rennspiel aller Zeiten. Und so abgedroschen laservermessene Strecken auch klingen mag: Die Vergleichsvideos von echtem Kurs und virtueller Nachbildung überzeugen. Forza Motorsport 5 beginnt sanft, eine sympathische Stimme nimmt euch an die Hand und kümmert sich um euer Wohlbefinden. Sie zeigt auf, was es zu tun gibt und erhellt euren Geist in den Untermenüs. Nicht ohne Grund. Selbige wirken zunächst ein wenig überladen, erst einige Augenblicke später erkennt man die durchdachte Struktur.
Die Liebe zum Automobil ist allgegenwärtig. Maßgeblich dafür verantwortlich sind weitere Sprecher, nämlich die TopGear-Moderatoren Clarkson und Hammond. Mit Fachwissen und Humor werden Rennklassen und Autos sehr subjektiv beschrieben und die Schwärmerei ist hochgradig ansteckend. Jene eingesprochenen Intros sorgen für dichte Atmosphäre und sind gleichermaßen der einzige Ersatz für eine Story. Jedenfalls merkt man sofort, dass das Auto im Fokus steht, jedoch nicht nur daran. Ihr könnt eure Wagen beispielsweise individuell lackieren und Aufkleber anbringen. Einfaches Hersteller-Logo oder komplexes Kunstwerk in 300 Schichten, je nach Wunsch. Mechaniker schrauben in der Tuning-Abteilung am Wagen herum und schließlich bewundert man das fertige Kunstwerk. ForzaVista nennt sich jener Gipfel der Leidenschaft, denn alle Autos lassen sich hier im Detail begutachten. Man kann den Motor aufheulen lassen, einsteigen oder weitere Informationen abrufen. In meinen Augen wäre das alles gar nicht notwendig gewesen und ich hätte die Arbeits- und Rechenleistung in andere Dinge gesteckt. Es unterstreicht allerdings den Anspruch von Forza, ein Spiel für Liebhaber zu sein.
Leider gibt es auch in der neuesten Episode keinen richtigen Karrieremodus. Der Einzelspieler entspricht der üblichen Aneinanderreihung von Events. Diese finden in verschiedenen Rennklassen statt, weshalb auch grundverschiedene Autos gefahren werden wollen. Vom Kompaktwagen bis zur Rennschleuder ist alles mit dabei. Die logische Konsequenz ist, dass man im Einzelspieler in eine Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeuge steigen muss, selbst wenn diese einem gar nicht gefallen. Ich würde gerne mehr Zeit in meinem Lieblingsfahrzeug verbringen – aber davon sind eigentlich alle Rennspiele meilenweit entfernt. Forza 5 ist im Singleplayer gelinde gesagt etwas trocken, kommt mir nach dem flippigen Horizon aber sehr gelegen. Kurs für Kurs wird abgefahren, hier und da gibt es mal eine außergewöhnliche Herausforderung, bei dem man möglichst viele Fahrzeuge überholen oder enge Tore durchfahren muss. Spielerisch haben wir es wieder mit einer unterhaltsamen Mischung aus Simulation und Arcade zu tun, mit einem deutlichen Hang zum Realismus. Diesen kann man mit persönlichen Einstellungen auf die Spitze treiben oder weitestgehend ignorieren: Fahrhilfen, KI-Schwierigkeit und Bremslinie lassen sich individuellen Bedürfnissen anpassen und beeinflussen das Fahrverhalten deutlich. Die Steuerung geht direkt in Fleisch und Blut über und die neuen vibrierenden Trigger der Xbox One machen einen klasse Eindruck. Gleiches gilt für die Cloud-Gegner. Dass die KI teilweise ausgelagert wird, hat nämlich witzige Folgen. Die Konsole packt sämtliche Drivatare eurer Freunde in euren Karrieremodus. Ein Drivatar ist das digitale Abbild eurer eigenen Fahrkünste bzw. das eurer Freunde. Der Vorteil? Kein Rennen spielt sich gleich, es gibt keinen Gummiband-Effekt und es fühlt sich unterm Strich einen Hauch echter an. Der Nachteil ist, dass man bisweilen unverhofft von der Strecke gefegt wird und die Widersacher ungewöhnlich rabiat und rücksichtslos agieren.
Obwohl mir Forza 5 wirklich sehr viel Freude bereitet, edel und hochwertig im Erscheinungsbild ist und ich bereits viel zu viele Stunden gefahren bin, gibt es doch etliche Dinge, die eigentlich mit Ohrfeigen abgestraft gehören. Gemeint ist das fehlende Auktionshaus, nicht implementierte Witterungseffekte und die Reduzierung von Fahrzeugen und Rennstrecken. Was hat sich Turn 10 denn dabei nur gedacht? Weniger Pisten als im direkten Vorgänger. Was fragt mein Rennspiel-Vater natürlich sofort: „Wo ist der Nürburgring?“ Nein, da hilft auch die traumhafte Strecke in Prag nicht weiter. Noch schlimmer als die genannten Dinge ist der Soundtrack. Selten bewegen mich Spiele zum leiser machen, Forza 5 hat es geschafft. Fünf Stunden lang kann man sich die Musik im Stile der Champions League ja anhören, danach wird es penetrant und die nicht vorhandene Abwechslung treibt einen in den Wahnsinn. Die Motoren klingen hingegen hervorragend! Turn 10 hat sich die scharfe Kritik redlich verdient. Spätestens zum ersten bezahlpflichtigen DLC wird meine Stimmung dann wohl weiter sinken. Sollten derlei eklatante Missstände nicht in einer Fortsetzung ausgemerzt sein, war dies meine letzte Forza-Episode. Was schade wäre, denn spielerisch ist das Ding eine Wucht. Deshalb ist die Endwertung auch versöhnlich, ich fühle mich viel zu wohl auf den Rennpisten und kann das Pad meist nicht mehr aus der Hand legen. Übrigens auch im Mehrspieler, der gewohnte Kost bietet und entsprechend auf hohem Niveau zu unterhalten weiß.
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Genre: Rennspiel
Entwickler: Turn 10 Studios
Publisher: Microsoft Studios
Release: November 2013
getestet: Dezember 2013 // Xbox One // pal deutsch // Limited Edition