Assassin’s Creed IV : Black Flag


Dazu passend: Cuba Libre


„Die Männer brauchen dringend einen Ort zum rumhuren“, sagt er und macht mich damit um 3.500 Reales ärmer. Das kostet der Bau einer Bar, die meinem Piratenversteck tatsächlich noch fehlt. Viel Geld – aber was wäre ich für ein Kapitän, böte ich meinen Jungs nicht Rum, Glückspiel und Weiber? Ärgerlich ist bloß, dass ich selbst gar keine Zeit für derlei Sachen habe, denn die Welt von Assassin’s Creed ist so randvoll mit Möglichkeiten, dass man gar nicht weiß, was man zuerst tun soll. Um alles zu erledigen braucht man sicherlich 45 Stunden und kann während dieser Zeit kaum genug vom Spiel bekommen. Black Flag hat mich kalt erwischt und schwer begeistert.

Bis man sein Versteck mit leichten Mädchen und einem Landsitz schmücken kann, ziehen einige Spielstunden ins Land. Die Geschichte nimmt sich viel Zeit, ist in 13 ausladende Missionen aufgeteilt und wenngleich ich nicht alles verstanden habe, fühlte ich mich stets bestens unterhalten. Edward, euer Alter Ego, lebt um 1715 herum und ist eine Schlüsselfigur zwischen Piraten, Soldaten, Templern und Assassinen, wobei die Suche nach einem Observatorium schnell in den Fokus gerückt wird. Damit kann man die Welt aus den Augen anderer Personen sehen. Assassin’s Creed funktioniert besser, wenn man sich ein wenig damit auskennt, dank toller Autoren jedoch auch völlig ohne Vorwissen. Es ist ein ungemein charmantes, spannendes und zugleich mysteriöses Abenteuer, mit dem Schwerpunkt auf Piraterie.



Edward hätte es nicht zum Kapitän gebracht, wäre er nicht mit zahlreichen Talenten gesegnet: Klettern scheint ihm in die Wiege gelegt, einen sechsten Sinn nebst Adlerauge hat er auch und egal ob mit Degen oder Pistole, im Kampf nimmt er es auch gern mit mehreren Gegnern auf. Die Missionen machen natürlich Gebrauch all jener Talente. Oft müsst ihr Leuten unauffällig folgen, um sie später zu richten. Dabei nutzt man alternative Routen über Häuserdächer, versteckt sich in Büschen und schaltet kategorisch einen Wachposten nach dem anderen aus. Das geht mit der unsichtbaren Klinge, aber auch mit Berserker- oder Schlafpfeilen. Ob ihr als heimlicher Meuchelmörder Alarmglocken sabotiert und das Gelände auskundschaftet, den sehr gewagten Weg durch die Mitte riskiert, wie ein Schatten von Busch zu Busch hüpft oder Tänzerinnen zur Ablenkung der Wachen einkauft, ist gänzlich euch überlassen.

Das Alleinstellungsmerkmal von Black Flag ist jedoch die Seefahrt. Auch ihr werdet irgendwann am Steuerrad der Jackdaw stehen, einem Shanty lauschen und die Aussicht auf das tiefblaue Meer genießen. Es ist, als sei man erst hier zu Hause, fühlt die Wellen und erfreut sich an der Freiheit. Eine riesige Welt will von euch bereist werden, randvoll mit Inseln und Städten, Diebeshöhlen, gesunkenen Schiffen und Geheimnissen. Nicht alles davon braucht man, damit sich die Geschichte entfaltet, aber der Übergang von Haupt- zu Nebenmission ist nahtlos, kaum spürbar und damit sehr verlockend. Die Motivation ist entsprechend am Limit und die Entwickler offerieren euch diverse Möglichkeiten Zeit in der virtuellen Welt zu verbringen. Schatzkarten und Rohstoffe wollen aufgespürt werden, ihr könnt in den erwähnten Wracks tauchen oder Tiere jagen, schwer gepanzerte Forts erobern und Missionen auf See nachgehen. Ihr könnt natürlich auch Aufträge der Assassinen annehmen, andere Schiffe überfallen, Animus-Fragmenten nachjagen oder Kenways Flotte befehligen. Letzteres ist ein taktisches Minispiel, bei dem man eigene Schiffe auf Handelsreisen schickt, um Geld zu machen. Auf den zweiten Blick unheimlich gut!



Die Sidequests sind allesamt kein Füllmaterial, sondern begeistern durch hohes Niveau und Abwechslung. Klar, irgendwann hat man genug vom Plündern anderer Schiffe, aber dann lässt man es eben mal zwei Tage lang bleiben. Es ist beachtlich, an was Ubisoft alles gedacht hat, zumal es neben dem eigentlichen Spiel ja auch noch eine kleine, aber feine Welt außerhalb des Animus gibt. Das sorgt in Kombination für unfassbar gute Atmosphäre. Ich habe die Freiheit zu tun, was ich will, kann selbst die Energie dosieren, die ich hineinstecke und die Stunden fliegen nur so dahin. Jedoch ist nicht alles Gold was glänzt, was man immer dann merkt, wenn man verbal entgleist und wütend auf die Couch schlägt. Es ist schon beschissen, wenn Edward nach minutenlangem Schleichen plötzlich nicht vor einer Truhe stehen bleibt, sondern darauf hüpft – oder zum beherzten Sprung mitten ins Feindgebiet ansetzt. Gelegentlich wundert man sich dann auch doch über den Scharfsinn einiger Soldaten bzw. ärgert sich über deren Überpräsenz. Ja, immer dann, wenn gut gedachte Aktionen an einem einzigen Sprung scheiterten, rollten mir Tränen des Hasses über die Wangen.

Wenngleich nicht alle Details stimmen und Black Flag nicht primär für die neue Generation entwickelt wurde, ist das optische Gesamtbild ein Traum: dichtes Grün im Dschungel, schicke Städte und Dörfer, wunderschöner Seegang, beeindruckende Effekte und feine Animationen. Sieht schon klasse aus, das Spiel, und klingt mindestens ebenso gut. Fantastische Musik mit eingängigen Shanties und eine tolle Synchro, die leider häufig ins Englische springt. Macht mir persönlich nicht viel aus, war aber sicherlich nicht geplant.

Der Mehrspieler zwingt euch zum interessanten Katz-und-Maus-Spiel mit Widersachern aus aller Welt, hat mich aber nicht ans Pad gefesselt. Erinnert mich an Splinter Cell. Auch hier hat sich Ubisoft kreativ bemüht, mich aber nie gepackt. Komisch eigentlich. Trotzdem verdient sich Black Flag die Bestnote. Es ist meine persönliche Rückkehr zu Assassin’s Creed und alles in allem ein fantastisches Spiel. Dezente Probleme der KI werden mit gnadenlos gutem Umfang und fabelhaften Seeschlachten ausgeglichen und jedem Hobby-Seefahrer kann ich nur raten: Ran an den Meerbusen!


★★★★★★     (sehr gut)

________________________________________________
Genre: Action-Adventure
Entwickler: Ubisoft Montréal
Publisher: Ubisoft

Release: November 2013
getestet: Februar 2014 // Xbox One // pal deutsch