FIFA 15


König Fußball


Der Mensch ist ein Tier der Gewohnheit und auch ich kann mich davon nicht freisprechen. Deutsch bin ich außerdem, also auf Ordnung bedacht. Jene Ordnung gerät genau dann aus den Fugen, wenn man unter der Woche trinkt, seine Bettzeit massiv überschreitet oder man Raucher auf seinem Balkon beherbergen muss. Für genau solche Situationen mache ich FIFA verantwortlich. Es bringt mich völlig aus dem Takt, macht alles dreckig und wie paralysiert erwische ich mich unter der Woche mit einem Bier in der Hand.

Dass ich das Sportspiel genau deshalb so liebe, ist blanke Ironie. FIFA-Abende sind unvergesslich, obwohl man dafür nicht viel braucht: Einen sozialen Kontakt neben sich auf der Couch, zwei rivalisierende Mannschaften auf dem Rasen und schon wenig später fliegen Provokationen durch die Luft, Wiederholungen werden zur Demütigung des Sitznachbarn nicht weggedrückt und am nächsten Tag stehe ich, Amazing-Achim, hoffentlich weiterhin an der Spitze meiner ewigen FIFA-Tabelle. Glück und Leid liegen nah beieinander, Kleinkrieg und Freudentanz geben sich die Klinke in die Hand. Im Grunde genommen wäre die Rezension jetzt abgeschlossen, denn die Note 'sehr gut' hat sich FIFA zu diesem Zeitpunkt bereits verdient.



Die hohe Motivation im lokalen Mehrspieler ist kein Zufallsprodukt. Was simpel wirkt, ist von EA haarklein durchdacht und das Ergebnis ständig verbesserter Rahmenbedingungen: Der einfache Einstieg, die aktualisierte Technik und natürlich der riesige Haufen offizieller Lizenzen trägt dazu bei. So kann man auch als Anfänger mit wenigen Tastendrücken ein Spiel starten oder an einem Turnier teilnehmen. Online, alleine oder mit einem Gegner auf der Couch. Dabei könnt ihr euch an den wichtigen Ligen dieser Welt bedienen, die komplett mit allen Spielern, Trikots, zahllosen Bällen und Stadien lizensiert wurden. Möglich ist sowohl das Spitzenspiel der Zweiten Bundesliga als auch ein rassiger Clásico. Schick ist das obendrein, auch wenn sich nach FIFA 14 eher wenig getan hat. Klar, die Wiederholungen sind weiterhin ein echtes Highlight, die Bewegungen noch einen Tick feiner, aber in der normalen Kameraeinstellung sucht man die Unterschiede dann doch mit der Lupe. Tolle Stimmung herrscht in den Stadien aber immer noch: Grandiose Fangesänge, dynamische Action auf dem Spielfeld und nur die Kommentatoren trüben das Gesamtbild. Mittlerweile stark, da man die Sprüche zum Teil schon aus FIFA 13 kennt. Umso mehr gefallen hat mir die EA-Trax-Auswahl in den Menüs, die durch Qualität und Abwechslung besticht.

Wie jedes Jahr sind die spielerischen Neuerungen marginal und gehen so schnell in Fleisch und Blut über, dass es mir schwerfällt, diese zu benennen. Die Torhüter wurden stärker gemacht und einige Bälle fliegen jetzt noch ein bisschen zufälliger durch die Gegend. Das gefällt mir gut, davon abgesehen ist FIFA aber ganz einfach FIFA. Die Stärke liegt insbesondere in dem Gefühl der Freude, die man empfindet, wenn man nach 70 Minuten Arbeit mal einen Treffer erzielt, was in einem vorgeht, wenn man nur den Pfosten erwischt oder wie es sich anfühlt, einen Titel zu gewinnen. Im Menü findet man dazu viele Möglichkeiten, beispielsweise Online-Ligen, Matchday-Spiele mit dem Lieblingsverein, Skill Games, Turniere, Pokale, simple Freundschaftsspiele oder euer Ultimate Team. Bei Letzterem sucht man sich mit Hilfe von Kartensets und Auktionen eine Mannschaft zusammen, bei der es auf Qualität und die richtige Chemie ankommt. Macht viel Spaß, ist ausreichend komplex und für mich die richtige Mischung aus sammeln, managen und natürlich spielen. Anders ist das im richtigen Manager-Modus, der mir zu trocken ist und nur kurz unterhält. Auch der Be-a-Pro-Modus, bei dem man die Karriere eines eigens erstellten Spielers vorantreibt und auf dem Platz mitunter nur diesen steuert, fesselt mich nicht so richtig. Das ist aber okay, es würde dann irgendwann auch einfach zu viel, da jedes Spiel zumeist 12 Minuten in Anspruch nimmt und man auch jede Menge Zeit im Menü vertrödeln kann. Je nach Spielmodus mit ganz unterschiedlichen Aktivitäten oder ganz allgemein im Newsbereich, wo man sogar Nachrichten und Erfolge von Freunden kommentieren kann.



Taktiker und Gelegenheitsspieler kommen gleichermaßen auf ihre Kosten. Denn während man theoretisch auch vorbehaltlos ein Spiel starten kann, ist das für einen Vollprofi keine Option. Es geht um Schnelltaktiken, Aufstellungsvarianten, Einwechselspieler und ähnliche Dinge. Man kann jedem Spieler eine bestimmte Aufgabe zuweisen, die Positionen marginal verändern und ein völlig individuelles Team basteln. Ich selbst halte davon nicht viel, die Änderungen bemerke ich auf dem Platz meist ohnehin nicht. Wie im echten Leben braucht es zum Schluss nämlich auch eine Prise Glück. Ob beispielsweise euer Torhüter den Ball pariert oder ein Foul eine Karte nach sich zieht. Das kann keine Taktik dieser Welt beeinflussen. Weshalb es zwar schön ist, dass all diese Dinge da sind, wirklich benötigt werden sie von Spielern wie mir aber nicht.

Ich fühle mich auch ohne diese Details von FIFA 15 zu jeder Zeit bestens unterhalten. Die Mikrotransaktionen sind harmlos, dafür weiß ich EAs Mühen in Sachen Live-Daten zu schätzen. Die Bewertung der Teams erfolgt auf Wunsch nach realen Gegebenheiten, so dass Formschwächen sofort aufgedeckt werden. Dazu kommen die fordernden Skill-Games, bei denen es auf feine Pässe, stramme Schüsse und ordentlich Zielwasser ankommt. Das Fazit ist also einfach und schnell gefunden: FIFA 15 macht mit Bier und Freunden am meisten Spaß, kann aber in allen Details überzeugen und begeistern. Tolle Online-Anbindung, einige nette neue Features, viel Motivation und durchdachtes Gameplay. Ich bin mal gespannt, was den Jungs und Mädls für die 2016er-Episode so einfällt.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Sport
Entwickler: EA Canada
Publisher: EA Sports

Release: September 2014
getestet: Oktober 2014 // Xbox One // pal deutsch // Limited Edition