Call of Duty : Advanced Warfare


Kevins charismatische Kriegserklärung an die Welt


Als alter Mann werde ich irgendwann mal im Schaukelstuhl sitzen und mich unvermittelt fragen, wie das 2014er Call of Duty nochmal hieß: Advance Wars, Advanced Warfare, Modern Warfare, Advanced Warfighter oder nur Warfighter? Nicht sonderlich kreativ, die Gestaltung der Unterzeilen dieser Tage, deutlich mehr frischen Wind verspricht uns Sledgehammer Games aber für das Spiel. Die haben lange am neuen CoD geschraubt und versetzen uns 40 Jahre in die Zukunft. In Sphären also, in die noch kein CoD jemals vorgedrungen ist. Der mittlerweile elfte Teil der Serie soll vieles anders machen, gleichzeitig aber die hohe Qualität der Vorgänger halten. Sinnvoll, spricht ja immerhin alte Hasen und potentielle Neulinge an – denkt sich jedenfalls das Marketing.

Hand aufs Herz: Wenn ihr die Marke CoD betreuen dürftet, würdet ihr viel verändern? Ich auch nicht, immerhin ist die Serie ein Garant für hohe Verkaufszahlen und lässt die Kassen des Publishers klingeln. Entsprechend gering fallen die Neuerungen im Spiel dann unterm Strich auch aus. Die Stärken werden hingegen gekonnt betont. Advanced Warfare ist schnell, läuft flüssig, bietet fantastische Feuerwaffen und präsentiert sich bis zum Rand voll mit Action. Größter Trumpf ist und bleibt der unfassbar hohe Unterhaltungswert.



Schnell ist man drin im Spiel, ohne dass viel erklärt werden muss. Kann man mittlerweile voraussetzen, dass jedermann weiß, wie man einen Ego-Shooter spielt? Ich denke schon. Neu ist einzig das mittelmäßig schicke Exoskelett, das optische Defizite durch enorme Muskelkraft, meterhohe Sprünge und andere technologische Vorzüge ausgleicht. Ein temporärer Schutzschild beispielsweise, ein Schallwellen-Störsender oder der mächtige Overdrive, der die Zeit verlangsamt. Mit dieser Superwaffe geht es in den Krieg, dessen Plot diesmal von Zeitsprüngen, Richtungswechseln und Intrigen durchzogen ist. Weniger Pathos, dafür viel vom überragenden Kevin Spacey, der mit Hilfe seiner militärischen Großmacht – Atlas – der Welt den Krieg erklärt. Einen Oscar gewinnen Handlung und Dialoge trotzdem nicht, höchstens die Zwischensequenzen. Die sind nahezu perfekt geschnitten, sehen großartig aus und bringen ordentlich Atmosphäre.

Eines der Achievements heißt We have the Technology und beschreibt das, was mir besonders gut gefallen hat: Die Technik und die Gadgets der Soldaten. Es gibt spektakuläre Stummladungen, die euer Tun in Stille hüllen, aktive Tarnfelder, diverse intelligente Granaten, kampfstarke Gefechtsdrohnen und bedrohliche AST32-Kampfanzüge. Die Waffensysteme imponieren mir. Es ist die Art von Science-Fiction, an der ich große Freude habe. Das Gunplay ähnelt den Vorgängern bis ins kleinste Detail, überzeugt also. Direkte Steuerung, flüssige Bewegungen, super Feedback und rasant ist das Ganze obendrein. Advanced Warfare wird von Sequenzen mit Kampfdrohnen, Fahrzeugen oder stationären Geschützen immer wieder aufgelockert, ansonsten ist euer Ziel immer gleich. Vorstoßen. Klar, gelegentlich muss man auch mal in Deckung gehen, aber im Grunde genommen bahnt ihr euch direkt und konsequent den Weg von A nach B. Die Level sind dabei sehr abwechslungsreich, oft aber eng und schmal. Abgesehen vom Weg nach vorn gibts nicht viel zu entdecken und kleinere Zäune, undurchdringliche Türen oder sogar unsichtbare Wände stellen das Ende eurer Reise dar. Der Fokus ist aber ohnehin auf die Feuergefechte gerichtet, die mir auf den höheren Schwierigkeitsgraden am meisten Freude bereiten. Jedoch nicht ohne Kritik. Die Feinde tun nämlich, was sie wollen. In Kombination mit der eher mäßig arbeitenden KI stirbt man deshalb den ein oder anderen frustrierenden Tod. Der ist leider die logische Konsequenz. Denn wenn das eigene Team nach vorne prescht und auf dem Weg dahin Feinde übersieht, haben die natürlich nichts Besseres zu tun, als mich zu Klump zu schießen. In den Rücken. Während ich grundsätzlich verstehe, dass Sledgehammer das Gameplay nur marginal verändert hat, hätten der Serie Verbesserungen in diesem Bereich gut zu Gesicht gestanden.



Call of Duty schafft den Sprung in neue Dimensionen aus meiner Sicht nicht, muss es aber auch nicht. Ich wusste, was mir gefallen wird und auch, was mir nicht gefallen wird. Intensiv, packend, kurzweilige Geschichte, beeindruckend getriggerte Events und geradlinige Action stehen auf der Pro-Seite. Die kurze Spieldauer, die Enge und die nicht immer tolle KI stehen auf der Kontra-Seite. Sogar technisch muss sich der Titel diesmal Schelte gefallen lassen, der saubere Look von CoD wirkt teilweise deplatziert und das Spiel ist insgesamt nicht mehr auf dem Level vieler Konkurrenten. Feine Animationen und die hervorragende Atmosphäre gleichen das nur teilweise wieder aus.

Der Mehrspieler war einer der Gründe, warum ich mir Advanced Warfare direkt zum Launch gekauft habe. Kleine Karten, pfeilschnell und kompromisslos. Mit tollen Waffen, vielen Optionen zur Individualisierung, vollen Lobbys und massenhaft Spielmodi. Genau das habe ich auch bekommen. Leider kann die Optik hier nicht mit dem Einzelspieler mithalten. Einige recht plump gestaltete Karten, reichlich Geflimmer und negative Höhepunkte, wie ein Highway, auf dem maximal drei erschreckend klobig gestaltete Fahrzeuge wie auf Schienen zu fahren scheinen (Comeback). Ein Glück, dass die Framerate zumeist konstant irres Tempo zu bieten hat und das Gameplay vieles rettet. Wer möchte, verbringt hier problemlos die nächsten Wochen, denn spielerisch gibt es rein gar nichts zu meckern. Alles gewohnt hochwertig, wenn man auf derart schnelle Action steht und keine Überraschungen erwartet. Unterm Strich scheint mir genau das die Faustformel für das neue CoD. Wer das sucht, was er von der Serie immer bekommen hat, der wird bestens versorgt. Ich hatte viel Spaß mit dem Spiel und drücke bei den meisten Unzulänglichkeiten ein Auge zu. Der Einzelspieler ist einfach ein Erlebnis, der Mehrspieler einfach ein Dauerbrenner und der gesamte Soundtrack, nebst aller Effekte und vor allem auch der deutschen Synchro, ein wahres Brett! Wirkliche Innovation sucht man aber auch dieses Jahr vergeblich.


★★★★★     (gut)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Sledgehammer Games & Raven Software
Publisher: Activision

Release: November 2014
getestet: November 2014 // Xbox One // pal deutsch