Halo : the Master Chief Collection


Die 100 %-Bestie


Fünf Spiele, sechstausend Erfolgspunkte, einhundert Multiplayer-Karten, dreihundertdreiundvierzig Industries und ein Fazit: Das Spiel ist eine Superlative. Die Master Chief Collection ist in nahezu allen Belangen eine unaufhaltsame Bestie und dürfte sich eigentlich mit keiner Wertung unter 98 % zufriedengeben. Man muss sich mal klarmachen, dass wirklich fünf komplette Halo-Abenteuer inkl. allen Mehrspieler-Modi, der Schmiede und dem Kino-Modus Platz auf der Blu-ray gefunden haben. Das ergibt geschätzte 60 bis 200 Stunden Umfang. Gemeinsam, alleine, gegen den Rest der Welt. Abgerundet hat 343 Industries das Paket mit allen Spartan-Ops-Missionen, Halo Nightfall (einer Serie zum Spiel), dem Halo Channel und der hauseigenen Website. Un. Fucking. Fassbar!



Doch als die Master Chief Collection damals auf den Markt kam, wich die unbändige Vorfreude schnell einer bitteren Erkenntnis: Auf dem Papier pure Perfektion, im Laufwerk fast schon eine Krücke. Vor allem online lief rein gar nichts. Bis zum heutigen Tage hat das Spiel Probleme in Sachen Performance. Die Spielersuche hängt sich auf und findet keine Mitspieler, Ranglisten fehlen und auch ein Level-1-Anfänger muss mitunter gegen einen Level-50-Profi ran. Es kommt aber auch vor, dass Checkpoints nicht gespeichert werden oder die Grafik im Koop-Modus in die Knie geht und zu ruckeln beginnt. 343 Industries hat in den letzten Monaten immens viel Energie in die Fehlerbehebung gesteckt und u. a. Halo ODST als Schadensersatz nachgereicht, so ganz vergessen macht es den Frust allerdings nicht. Der hochwertige Ruf der Serie hat gelitten. Mit der Konsequenz, dass ich fast ein Jahr gebraucht habe, um die Kampagnen erneut durchzuspielen.

Das liegt vor allem daran, dass ich die MCC eigentlich wegen des Mehrspielers gekauft habe. Die einzelnen Halos haben diesen seinerzeit auf Konsolen neu definiert und lieferten beachtliche Erfolge beim Vorstoß in die Onlinewelt. Zahllose Stunden haben die Gefechte gefressen und epische Schlachten standen an der Tagesordnung. Genau das blieb mir zum Launch der MCC aber verwehrt. Mittlerweile, nach vielen Monaten, kann man zwar online spielen, die Magie ist aber verflogen und die meisten Freunde sind bereits auf andere Spiele umgestiegen. Zu Gute halten muss man 343 natürlich trotzdem, dass ich problemlos über 100 verschiedene Karten rennen kann und die Spiellisten sogar die unterschiedlichen Episoden abdecken. Vor allem das Gehirn wird dabei zur Hochleistung getrieben, denn je nach Karte ändern sich auch feine Details im Gameplay. Während man im ersten Match noch zwei Waffen tragen kann, sucht man im zweiten vergeblich nach dem Spartan Laser und wundert sich in der dritten Runde, warum man auf einmal sprinten kann. Während meine alten Xbox-Live-Kameraden offenbar in Ruhestand gegangen sind, haben das nicht alle Menschen getan: Die Lobbys sind ganz gut gefüllt und das in nahezu allen dargebotenen Spielmodi. Freuen darf man sich auf flüssige Grafik, harte Zweikämpfe, den SWAT-Modus und jede Menge Teabagging. Wäre das schön gewesen, hätte das Spiel so zum Launch ausgesehen.



Wer die Kollektion nur wegen des Singleplayers gekauft hat, der kann all die Aufregung kaum nachvollziehen. Denn die Solo-Kampagne läuft seit dem ersten Tag stabil. Fantastisch, denn Halo gehört zu den besten Ego-Shootern aller Zeiten. Mit dichter und komplexer Sci-Fi-Story, unvergesslicher Musik, abwechslungsreichen Feuergefechten und hochintelligenten Gegnern. Dazu kommen haufenweise Eigenheiten der Serie, die dafür gesorgt haben, dass der Master Chief nicht mehr aus der Welt des Telespiels wegzudenken ist. Von den grandios implementierten Fahrzeugen und den herrlich locker fliegenden Granaten bis hin zu den markanten Waffen, Gegnern und den entsprechenden Sounds. Die Kampagnen wecken Erinnerungen, die lange begraben waren und ermöglichen es Spielern jeden Alters eine damals verpasste Episode zu erleben. In meinem Fall diente dies lediglich zur Auffrischung der Geschichte, denn seit z. B. Halo 2 sind immerhin elf (!) Jahre vergangen. Beachten muss man hierbei bloß, dass ein Meisterwerk von 2004 im Jahre 2015 nicht unbedingt noch immer ein Meisterwerk ist. Ich tat mich schwer, der Funke wollte anfangs gar nicht überspringen. Man hat sich einfach zu sehr an die Annehmlichkeiten der heutigen Spielewelt gewöhnt – und so richtig gut altern Ego-Shooter ja eh nicht. Das geht auch gar nicht ausschließlich gegen die Optik, man eckt mit vielen Eigenheiten aneinander. Wenig präzise Kollisionsabfrage, altbackene Steuerung, steifes Gameplay, ewig lange Laufwege und eine durch die Bank schlechte Synchro. Das ändert sich erst, wenn man bei Teil 3 angekommen ist. Und in Teil 4 kann der Master Chief dann schließlich sogar zum Sprint ansetzen. Die MCC nimmt euch mit auf eine faszinierende Zeitreise, belebt die Serie dank der Anniversary Editionen, zerstört jedoch auch einige Deckerinnerungen. Natürlich ist Letzteres kein Grund für Minuspunkte. Eine Kollektion bzw. ein Remake hat ja genau den Anspruch so zu funktionieren wie das Original.

Es ist deshalb nicht ganz einfach die MCC zu bewerten. Jeder Spieler hat andere Erwartungen und diese erfüllt Halo unterschiedlich gut. Meinem Anspruch wurde das Spiel zu Beginn ganz und gar nicht gerecht und hat viel zu spät die rettende Kurve bekommen. Die Kampagne ist z. T. in die Jahre gekommen, hat mich jedoch trotzdem wieder gepackt, vor allem das phänomenale Halo 3 muss man gespielt haben. Da mittlerweile auch online alles soweit läuft, sind am Ende tatsächlich über 70 Stunden draufgegangen. Schnell ist mir wieder bewusst geworden, wie aus diesem Ego-Shooter eine solche Legende werden konnte. Halo : the Master Chief Collection ist ein ungeheuer komplexes und ungeheuer hochwertiges Halo-Kompendium und aus diesem Grund ein Pflichtspiel für die heimische Sammlung.


★★★★★     (gut)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: 343 Industries
Publisher: Microsoft Studios

Release: November 2014
getestet: August 2015 // Xbox One // pal deutsch