Wolfenstein : the Old Blood


Werden Sie Mondsoldat!


„Auf Jobsuche? Kein Problem! Bei den Nationalsozialisten gibt es eine Menge zu tun. Kommen Sie zur Infanterie der SS, werden Sie Mondsoldat oder starten Sie eine Karriere in einer der vielen Forschungsabteilungen, beispielsweise zur Verbesserung unserer mechanischen Kampfhunde. Wir sind breit aufgestellt und bieten Ihnen zahlreiche Möglichkeiten, Deutschland zu noch mehr Ruhm zu verhelfen.“

Der Krieg ist schon gewonnen, die Welt bereits unterjocht und dank einer übermächtigen Armee lässt sich der unerbittliche Vormarsch der Nazis nicht mehr stoppen. Gäbe es da nicht B. J. Blazkowicz, die polnische Antwort auf Duke Nukem, Sam Fisher und Rambo, der sich seit Jahren als hartnäckiger und skrupelloser Nazi-Killer einen Namen macht. Auch bei the Old Blood wird B. J. hinter die feindlichen Linien geschickt und soll gemeinsam mit einem US-Agenten Burg Wolfenstein infiltrieren und die Pläne von Rudi Jäger und Helga von Schabbs durchkreuzen. Die Geschichte, grob aufgeteilt in zwei Handlungsstränge, macht es leider nicht so gut wie the New Order es gemacht hat. Während jener direkte Vorgänger, der zeitlich übrigens danach spielt, mit Tiefgang und Emotion punkten konnte, schafft the Old Blood das nicht. Im Gegenteil, vor allem die zweite Hälfte des Spiels ist eine Katastrophe.



Dabei waren die Vorzeichen so positiv: Die bizarre Atmosphäre und das unglaubliche Design der Serie sind erneut beeindruckend, ab der ersten Spielminute. Hochgradig verfassungsfeindlich prangen Hakenkreuze auf nahezu allem, was ihr entdeckt, das Regime feiert sich selbst auf Werbeplakaten, mit Lobreden und eindrucksvollen Prunkbauten. Es lässt einen erstarren, dann ist man beeindruckt und schließlich lockert MachineGames die angespannte Atmosphäre immer wieder mit bissiger Ironie und schwarzem Humor. Wolfenstein ist ein ungemein kompromissloses und brutales Spiel, nimmt sich aber nicht ganz ernst. Diese einzigartige Stimmung umhüllt den Spieler und Leute wie ich sind doppelt begeistert: Wer Deutsch und Englisch versteht, erfreut sich am bunten Sprachmix und somit an Waffen wie dem Schockhammer oder dem Bombenschuss-Gewehr, über eine Taverne voller Nazis, die deutsches Liedgut trällern, und einen ziemlich amerikanisch wirkenden Protagonisten, der mit gebrochenem Deutsch die Wachposten täuschen will.

Wolfenstein ist ein geradliniger Ego-Shooter mit einigen klassischen Elementen, die es fast nirgendwo mehr zu sehen gibt: Medkits und Rüstung müssen beispielsweise aufgesammelt werden, da sich die Gesundheit nicht von selbst regeneriert. Auch das Leveldesign ist simpel. Meist sind ein oder zwei Schalter involviert, irgendwo öffnet sich eine Tür und auch die Gefechte funktionieren bodenständig. Jedenfalls wenn man sich dazu entschließt, die Waffen durchzuladen und der SS die Hölle heiß zu machen. Mit donnernder Schrotflinte oder gnadenlos ratterndem Gewehr zieht man zwar schnell die Aufmerksamkeit auf sich, ballert aber freudestrahlend alles zu Klump, was einem entgegenstürmt. B. J. kann in Deckung gehen, findet in den Leveln immer ausreichend Munition und kann, ebenfalls durchaus ironisch, auch die größten Waffen doppelt tragen. Die Gegner sind nicht intelligent, trotzdem muss man in Bewegung bleiben, um nicht unterzugehen – zumal das Treffer-Feedback nicht wirklich gut ist. Blazkowicz kommt ohne Spielereien und Gadgets aus und erinnert daher eher an vergangene Tage des Genres, was keinesfalls negativ gemeint ist. Offenbar hatten die Entwickler aber gar nicht vor, dass ihr alles niedermäht: Man soll nämlich oft in die Hocke gehen und bewaffnet mit Messer und Stahlrohr lautlos seinen Weg machen. In fast allen Gefechtsräumen gibt es einen oder mehrere Kommandanten, die dazu in der Lage sind Verstärkung zu rufen, sobald ihr entdeckt werdet. Schleichen kann euer Alter Ego ganz hervorragend, die Laufwege der SS sind nicht sonderlich komplex, die KI zudem sehr gnädig. Man wird selten erwischt und auch tote Kameraden erregen bei den Nazis keinerlei Aufmerksamkeit. Mit nett inszenierten Takedowns nehmt ihr heimlich einen Gegner nach dem anderen aus dem Spiel und erledigt so schließlich auch den Kommandanten. Leider, leider wirken die Schleicheinlagen trotzdem ein wenig aufgezwungen und z. T. etwas trocken, notwendig sind sie vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden. Da sind Fehler dann ärgerlich, denn wenn der Alarm ertönt und ein gefühltes Bataillon der SS aufmarschiert wird es hektisch, kompliziert und dank aus dem Nichts auftauchender Gegner auch etwas unfair.



Viel Spaß gemacht hat das Freischalten der Verbesserungen für Blazkowicz, der durch bestimmte Aktionen seine Gesundheits- und Angriffswerte verbessern kann, beispielsweise durch unbemerkte Kills. Die versteckten Sammelobjekte aufzuspüren ist ebenfalls eine lohnenswerte Aufgabe und streckt das relativ kurze Spiel ein wenig. Mit an Bord sind außerdem Nightmare Level, eine spielbare Hommage an Wolfenstein 3D. Absolut großartig, leider mit insgesamt neun Episoden viel zu viel des Guten. Noch weniger konnte ich mit den Herausforderungskarten anfangen, die wenig Charme versprühen. Technisch ist the Old Blood kein Highlight, allerdings ist der Titel auch schon ein paar Jahre alt. Ich kann die steifen Animationen und den zum Teil etwas klobigen Look verschmerzen, da Wolfenstein zumindest schnell und flüssig läuft und zudem vor allem mit der eingangs beschriebenen Atmosphäre punktet.

Obwohl die Entwickler den simplen Kurs von the New Order beibehalten haben und mir sehr viel sehr gut gefallen hat, bleibt das Spiel deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. Das Leveldesign ist nicht gelungen, die Geschichte am Ende sogar richtig schlecht. Der Fokus wurde aus meiner Sicht zu sehr auf lautloses Töten gelegt und das insgesamt tolle Setting kann jene Schwachpunkte kaum ausgleichen. Mit zum Ende hin zähen Nightmare Leveln und knapp acht Stunden Umfang insgesamt, der fehlenden Abwechslung und der restlichen Kritik, hinterlässt the Old Blood keinen guten Eindruck mehr – und rauscht haarscharf am 'ausreichend' vorbei.


★★★★     (befriedigend)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: MachineGames
Publisher: Bethesda Softworks

Release: Mai 2015
getestet: September 2017 // Xbox One // pal NL