FIFA 16


Und täglich grüßt die Abseitsfalle


Der Mensch ist ein Tier der Gewohnheit und auch ich kann mich davon nicht freisprechen. Deutsch bin ich außerdem, also auf Ordnung bedacht. Jene Ordnung gerät genau dann aus den Fugen, wenn man unter der Woche trinkt, seine Bettzeit massiv überschreitet oder man Raucher auf seinem Balkon beherbergen muss. Für genau solche Situationen mache ich FIFA verantwortlich. Es bringt mich völlig aus dem Takt, macht alles dreckig und je schöner der FIFA-Abend ist, umso schwerer sind die Augen am Morgen.

Dass ich das Sportspiel genau deshalb so liebe, ist blanke Ironie. FIFA-Abende sind unvergesslich, obwohl man dafür nicht viel braucht: Einen sozialen Kontakt neben sich auf der Couch, zwei rivalisierende Mannschaften auf dem Rasen und schon wenig später fliegen Provokationen durch die Luft, Wiederholungen werden zur Demütigung des Sitznachbarn nicht weggedrückt und am nächsten Tag stehe ich, Amazing-Achim, hoffentlich weiterhin an der Spitze meiner ewigen FIFA-Tabelle. Glück und Leid liegen nah beieinander, Kleinkrieg und Freudentanz geben sich die Klinke in die Hand.



Die hohe Motivation im lokalen Mehrspieler ist kein Zufallsprodukt. Was simpel wirkt, ist von EA haarklein durchdacht und das Ergebnis ständig verbesserter Rahmenbedingungen. Der einfache Einstieg, die aktualisierte Technik und natürlich der riesige Haufen offizieller Lizenzen trägt dazu bei. So kann man auch als Anfänger mit wenigen Tastendrücken ein Spiel starten oder an einem Turnier teilnehmen. Online, alleine oder mit einem Gegner auf der Couch. Dabei könnt ihr euch an den wichtigen Ligen dieser Welt bedienen, die komplett mit allen Spielern, Trikots, zahllosen Bällen und Stadien lizensiert wurden. Möglich ist sowohl das Spitzenspiel der Zweiten Bundesliga als auch ein englisches Derby in Manchester. Das alles wird neuerdings von Wolf Fuß kommentiert, sieht wieder einen Hauch besser aus als der Vorgänger und ist technisch deshalb insgesamt ein echter Hingucker. Die fantastischen Replays und die packende Stadionatmosphäre begeistern erneut, bloß am Regen sollte EA weiter arbeiten. Der sieht noch immer eher peinlich aus und sorgt sogar für den einen oder anderen Ruckler.

Wie jedes Jahr sind die spielerischen Neuerungen marginal und gehen so schnell in Fleisch und Blut über, dass es mir schwerfällt, diese zu benennen. Die Torhüter wurden stärker gemacht und einige Bälle fliegen jetzt noch ein bisschen zufälliger durch die Gegend. Das gefällt mir gut, davon abgesehen ist FIFA aber ganz einfach FIFA. Die Stärke liegt insbesondere in dem Gefühl der Freude, die man empfindet, wenn man nach 70 Minuten Arbeit mal einen Treffer erzielt, was in einem vorgeht, wenn man nur den Pfosten erwischt oder wie es sich anfühlt, einen Titel zu gewinnen. Im Menü findet man dazu viele Möglichkeiten, beispielsweise Online-Ligen, Matchday-Spiele mit dem Lieblingsverein, Skill Games, Turniere, Pokale, simple Freundschaftsspiele oder euer Ultimate Team. Bei Letzterem sucht man sich mit Hilfe von Kartensets und Auktionen eine Mannschaft zusammen, bei der es auf Qualität und die richtige Chemie ankommt. Macht viel Spaß, ist ausreichend komplex und für mich die richtige Mischung aus sammeln, managen und natürlich spielen. Anders ist das im richtigen Manager-Modus, der mir zu trocken ist und nur kurz unterhält. Auch der Be-a-Pro-Modus, bei dem man die Karriere eines eigens erstellten Spielers vorantreibt und auf dem Platz mitunter nur diesen steuert, fesselt mich nicht so richtig. Das ist aber okay, es würde dann irgendwann auch einfach zu viel, da jedes Spiel zumeist 12 Minuten in Anspruch nimmt und man auch jede Menge Zeit im Menü vertrödeln kann. Je nach Spielmodus mit ganz unterschiedlichen Aktivitäten oder ganz allgemein im Newsbereich, wo man sogar Nachrichten und Erfolge von Freunden kommentieren kann.



Taktiker und Gelegenheitsspieler kommen bei FIFA 16 gleichermaßen auf ihre Kosten. Man kann völlig unvorbereitet und spontan ein Spiel starten, muss dann aber möglicherweise auf einen seiner Stars verzichten. EA nutzt Live-Daten, um real verletzte Spieler auf die Bank zu verbannen oder Formschwächen gnadenlos aufzudecken. All das ließe sich natürlich vor dem Spiel korrigieren – womit wir bei der zweiten Variante wären: der intensiven Vorbereitung. Taktische Vorgaben, Aufstellungsvarianten, neue Spieler oder eine konkrete Aufgabenzuweisung. Man verändert Räume, Zuständigkeiten und optimiert so lange am eigenen Team, bis man völlig zufrieden ist. Das dauert halt und macht eigentlich nur dann Sinn, wenn man stets mit der gleichen Truppe kicken will. Wer hauptsächlich gegen Freunde antritt, wie ich, der braucht das nur geringfügig. Ich finde eher, dass man hier und da vor allem Glück braucht. Denn wie im echten Fußball kann auch die beste Taktik nicht die Entscheidung des Schiedsrichters beeinflussen, die Flugbahn des Balls vorhersehen oder steuern, ob der Torhüter einen Ball pariert oder eben nicht.

Doch auch ohne alle Details und Kniffe von FIFA zu kennen und zu nutzen, fühle ich mich bestens unterhalten. Der Soundtrack im Menü ist gewohnt hochwertig und das Freistoß-Spray wurde brav integriert. Die Mikrotransaktionen, zum Kauf von Kartenpaketen im FuT, sind weiterhin harmlos und dezent, so dass das Fazit nicht schwerfällt: FIFA 16 ist erneut ein Topspiel, für mich vor allem im Mehrspieler, welches im jährlichen Update vieles weiter verbessert hat, selbstverständlich aber niemanden mit brandheißen Innovationen vom Hocker fegt. Es gibt Kleinigkeiten, an denen EA weiter arbeiten sollte (Regen, Elfmeterschießen), davon abgesehen ist das Spiel mit Bier und Freunden aber unschlagbar, selbst wenn man mal eine Runde lang nur Zuschauer ist.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Sport
Entwickler: EA Canada
Publisher: EA Sports

Release: September 2015
getestet: Dezember 2015 // Xbox One // digital // Deutsch