Quantum Break


Zeitdruck


Mit einer eleganten Handbewegung friere ich die Zeit ein. Alles steht still. Plötzlich schweigen die Kollegen, erstarrt zu Salzsäulen. Für mich ist das Meeting vorbei. Es wurde ohnehin nur noch blöd über Kleinigkeiten diskutiert. Langsam schlendere ich zum Fenster des Besprechungsraums, die Arme entspannt hinter dem Rücken verschränkt. Vögel stehen wie gemalt am Himmel, der Verkehrslärm hat aufgehört, alles ruht. Ja. Es ist ein schöner Gedanke die Zeit manipulieren zu können. Oder? Für Jack Joyce entwickelt es sich zum Albtraum. Er ist viel zu nah dran, als das Experiment seines ältesten Freundes Paul völlig aus dem Ruder läuft. Die Zeitmaschine versagt. Schwerer Ausnahmefehler. Kollaps. Was folgt, ist der Zusammenbruch der Zeit. Als wäre sie zerrissen worden, verletzt. Noch bevor Jack realisieren kann, was gerade passiert ist, verliert er zwischen Flucht, Chaos und Katastrophe seinen Bruder William – und der vor wenigen Minuten noch verschwunden geglaubte Paul steht ihm plötzlich mit einer Armee von Monarch Solutions gegenüber.

Es sind die Zutaten eines Thrillers. Entwickler Remedy komponiert eine rasante Achterbahnfahrt mit Stil und Tiefgang, so als säße man im Kino. Quantum Break ist eine Hetzjagd durch die Zeit, ein Ballett zwischen Gut und Böse, zwischen Paul und Jack. Knapp vorbei am Untergang der Welt, gespickt von Intrigen und nebulösen Ereignissen. Eine hochgradig spannende Sci-Fi-Story mit tollen Dialogen und charismatischen Figuren. Die werden bisweilen sogar tatsächlich von echten Schauspielern zum Leben erweckt, denn Quantum Break hat nicht nur massenhaft klassische Cutscenes an Bord, sondern nutzt auch richtige Filmausschnitte. Etwas, das eigentlich aus der Mode gekommen ist. Entsprechend skeptisch war ich im Vorfeld. Tatsache ist jedoch, dass die Filmsequenzen nahtlos ins Spiel gebracht wurden und so hochwertig produziert sind, dass man sich lächelnd zurücklehnt. Stimmung und Atmosphäre bleiben am Limit. Bis zu 20 Minuten am Stück sieht man staunend mit an, wie die Handlung sich weiter entfaltet und die Figuren an Komplexität gewinnen.



Nicht ganz so revolutionär gibt sich Quantum Break in Sachen Gameplay. Ein 3rd-Person-Shooter mit dem Fokus auf Action, also mehr Schusswechseln als Rätseln. Die Söldner von Monarch Solutions, die euch seit dem Defekt der Zeitmaschine auf die Pelle rücken, machen keine Gefangenen. Mit Schrotflinten und Pistolen drängen sie euch zielstrebig in die Ecke und wer nicht rechtzeitig hinter Mauern und Wänden Schutz sucht, wird durchlöchert und ausgelöscht. Wie gut, dass Jack seinerseits sicher im Umgang mit Feuerwaffen ist – das allein reicht jedoch nicht. Seit der Explosion, also dem Moment, in dem er von Chronon-Partikeln verseucht worden ist, kann er die Zeit manipulieren und zu seinen Gunsten beeinflussen. Time Shield, Time Rush oder Time Blast nennen sich die Fähigkeiten im Menü, im Kampf sorgen sie für Angst und Missordnung. Versetzt den Feind in eine Starre, bewegt euch in Überschallgeschwindigkeit oder flieht in ein Zeitloch, also einen Schutzschild. Eure Kräfte machen sich offensiv wie defensiv bezahlbar, sichern euch in hitzigen Gefechten das Überleben und verwandeln das Schlachtfeld mitunter zu eurem Spielplatz. Es mag gar nicht so spektakulär klingen, aber wenn sich alles um einen herum in Zeitlupe bewegt, ihr plötzlich hinter den Feindeslinien auftaucht und strategisch einen Widersacher nach dem anderen aus dem Spiel nehmt, ist das ziemlich eindrucksvoll.

Die Zeit verbiegen zu können, kommt euch auch beim Rest des Spiels zu Gute. Jack kann damit Schalter bedienen und Türen offenhalten, was ohne eure Fähigkeiten schlicht nicht möglich wäre. Um euch herum zeigen sich immer massiver die Auswirkungen des gescheiterten Experiments, alles scheint irgendwie beschädigt und immer häufiger müsst ihr unvorhergesehen Ereignissen trotzen. Objekte stürzen ein und drohen euch zu erschlagen, zerstörte Brücken müssen via Zurückspulen neu aufgebaut werden und ich kann euch versichern: Nicht nur einmal saß ich staunend und mit weit aufgerissenen Augen vor dem Fernseher. Wenn um einen herum alles unterzugehen scheint, weil selbst Jack es nicht mehr kontrollieren kann, der Sound dröhnt und alles stillsteht, obwohl es sich fortwährend bewegt, dann ist das ziemlich episch. Parallel dazu spitzt sich die Handlung weiter zu, neue Figuren kommen ins Spiel und der Plan von Paul, zur vermeintlichen Rettung der Menschheit, nimmt Fahrt auf.



Im Grunde genommen sind es nicht die einzelnen Teilbereiche von Quantum Break, die überzeugen. The Division spielt sich griffiger, die Mechanik der Rätsel ist bei Tomb Raider besser. Nein, hier ist die Harmonie für die Begeisterung verantwortlich, weil Remedy durch die Erzählweise, das Tempo und die Qualität auf ganzer Linie punktet. Das komplexe Thema der Zeitreise wird faszinierend in Szene gesetzt und ergibt auf den ersten Blick sogar Sinn. Dazu sieht Quantum Break hervorragend aus, hat einen leicht düsteren Touch, schicke Effekte und tolle Schauplätze, klingt gut und hat sogar an Charakterentwicklung gedacht. Also nicht bloß mehr Tiefgang für die Figuren, sondern tatsächlich Upgrades eurer Fähigkeiten. Im Spiel versteckt sind Chronon-Partikel, mit deren Hilfe man die Moves-Palette optimieren und erweitern kann. Auf der Schattenseite sei hingegen eine gewisse Eintönigkeit im Feuergefecht erwähnt, da man zumeist bei ein und derselben Strategie bleibt. Viele Waffen gibt es nicht und eure Wege sind immer recht linear.

Doch damit kann ich leben. Aus meiner Sicht ist Quantum Break ein unterschätzter Exklusivtitel für die Xbox. Ich fand ihn aufregend, erwachsen präsentiert und in Summe äußerst unterhaltsam. Das Duell mit Monarch Solutions, der gelegentlich aufkeimende Zweifel an der Richtigkeit des eigenen Weges und durchaus auch die Entscheidungen, die man als Spieler immer mal wieder treffen muss, haben mich bei Laune gehalten. Wuchtig und voller Energie, nicht ganz der Standard – ich bin begeistert.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Action
Entwickler: Remedy Entertainment
Publisher: Microsoft Studios

Release: April 2016
getestet: Februar 2020 // Xbox One // digital // Englisch