Battlefield 1


Das Ende der Welt


Das Geschwür des Ersten Weltkrieges, welches 1914 damit begann sich durch die Welt zu fressen, ist in den Medien weit weniger präsent, als es eigentlich sein müsste. Erfreulich ist es deshalb, dass sich DICE mit der neuesten Episode von Battlefield diesem Thema annähert und es sensibel und respektvoll in ein Telespiel eingearbeitet hat. Nein, nicht hochgradig realistisch und der Ego-Shooter bleibt definitiv eine actionbetonte Bestie, man ist aber durchaus um eine gewisse Authentizität bzw. eine erschütternde Darstellung bemüht. Das Resultat hat mich überrascht, positiv, obwohl ich bereits mit einer enormen Erwartungshaltung an den Titel herangegangen war. Vorrangig liegt das an der Kampagne, die in fünf einzelnen Episoden völlig unterschiedliche, aber absolut gelungene Kurzgeschichten des Krieges aufzeigt. Unglücklicherweise ohne ein Kapitel aus deutscher Sicht, was mich sehr interessiert hätte. Leider sind wir, wie üblich, nur gesichtslose Gegner.

Doch zurück zur Kampagne. Penible Kritiker verstehen diese möglicherweise als gigantisches Tutorial. Kann ich bedingt sogar nachvollziehen. Immerhin wird man konsequent an die Steuerung der verschiedenen Fahrzeuge im Spiel herangeführt und sogar das Erobern von strategisch wichtigen Gefechtspositionen erinnert direkt an den Multiplayer. Leuchtet ein, der ist ja wie immer auch der Kern von Battlefield. DICE hat jene MP-Mechaniken genommen und eine Geschichte drumherum gebastelt. Das geht sogar so weit, dass sich einige Karten bis aufs letzte Detail gleichen. Trotzdem ist der Schachzug überaus gelungen: Die imposante und brachiale Inszenierung, nebst grandioser englischer Synchro und zahlreichen Videosequenzen, ist hochwertig und packend. Die Geschichten sind abwechslungsreich, sehr atmosphärisch und sogar Sammelobjekte wurden in den Missionen verstreut. Zwar ist der Ausflug in das Solo-Abenteuer eher kurz, er lohnt sich aber voll und ganz. Top!



Meine Begeisterung für den Einzelspieler in Ehren, aber natürlich trumpft Battlefield erst im Mehrspieler so richtig auf. Dabei gibt es nicht mal viele Modi: Rush, Deathmatch, Eroberung und Co. unterscheiden sich primär durch Spielzeit und Größe und waren schon in den Vorgängern mit an Bord. Einziger neuer Spielmodus sind die sogenannten Operationen, die auf gigantischen Karten stattfinden, spielerisch das Rad aber auch nicht neu erfinden. Das passt mir ganz gut in den Kram. Begonnen habe ich auf kleinen Karten im Team Deathmatch, um mich ans Gameplay zu gewöhnen. Hier geht es eng und schnell zur Sache, man findet keine Fahrzeuge und hat keine Missionsziele. Macht mir zwischendurch immer noch Spaß. Komplexer wird es dann in den anderen Varianten, denn jetzt geht es darum Flaggen zu erobern, Sprengfallen zu legen oder Kriegstauben freizulassen, um den Feind mit Artilleriefeuer zu belegen. Fahrzeuge kommen jetzt ebenfalls ins Spiel, beispielsweise massiv bewaffnete Sturmpanzerwagen oder agile Kampfflugzeuge. Doch auch zu Pferde kann man in die Schlacht reiten. Je nach Charakterklasse, davon gibt es vier, befindet ihr euch an vorderster Front, versorgt Kameraden mit Medizin oder haltet aus der Ferne die Stellung, immer bereit für einen präzisen Kopfschuss. Eurem Tun sind keine Grenzen gesetzt. Die gewaltigen Gefechte zwingen euch in keine bestimmte Rolle. Es gibt Runden, in denen stirbt man vier Mal, es gibt Runden, in denen stirbt man 30 Mal. Je nachdem worauf man Lust hat, hält man sich dezent zurück, spielt möglicherweise den Versorger an der Frontlinie, steuert Panzer oder nutzt stattdessen schwere Maschinengewehre, um die Infanterie mit heftigem Sperrfeuer zu unterstützen.



Anhand der Operationen kann man die Faszination Battlefield womöglich am besten beschreiben. Wenn sich 64 Spieler bis aufs Blut bekriegen, auf den großen Karten mehrere Fronten eröffnen und nur durch stete und konsequente Angriffe der Feind hinter die eigenen Linien zurückgedrängt werden kann, dann ist das ein irres Gefühl. Von der Bunkeranlage bis hin zur Windmühle, einer Hauptstraße oder einer Brücke, gilt es immer wieder die Verteidigungsanlagen der Feinde einzureißen und deren Vormachtstellung zu beenden. Brutale Grabenkämpfe, aggressive Sturmläufe und konzentriertes Feuer aus der Distanz wechseln sich ab – bis ein Panzer anrollt und die Situation komplett verändert. Die zerstörerischen Waffen und Fahrzeuge des Ersten Weltkrieges verändern das Antlitz der Karten, sprengen liebgewonnene Deckung in Schutt und Asche, vergasen gut gesicherte Barrikaden und zerstören ganze Häuser. Mächtige Zeppeline oder Panzerzüge nehmen zusätzlich Einfluss auf das Spielgeschehen, fest montierte Maschinengewehre oder Flakgeschütze machen nahezu alles möglich. Jede Situation kann ausgekontert werden, das Agieren im Team wird dabei belohnt. Missionszielen folgen bringt viele Punkte, ebenso die Hilfestellung in eigenen Reihen. Die unendlichen Möglichkeiten dieser epischen Schlachten in diesem kurzen Bericht erfassen zu wollen, ist unmöglich. Schon jetzt habe ich viele unvergessliche Momente erlebt, die bildgewaltig funktionieren und mich zum Teil sprachlos gemacht haben. Battlefield 1 ist ein derart wuchtiges, dröhnendes und donnerndes Infernal des Krieges, so dass man dann und wann tatsächlich eine Gänsehaut bekommt.

Die fantastische Kombination aus überragender Technik, riesigen Schlachtfeldern und den bodenständigen Regeln eines Ego-Shooters kommt bei mir gut an. DICE hatte im Vorfeld mal betont, dass sich Waffen und auch der Nahkampf komplett neuartig anfühlen würden. Das kann ich ehrlich gesagt nicht bestätigen, fühlt sich alles so an wie bei CoD, Destiny oder Halo. Die haben übrigens allesamt die bessere Menüführung. Hier patzt BF1. Erstens ist es unfassbar langsam, zweitens unübersichtlich und drittens gibt es keine Möglichkeit die eigene Figur zu personalisieren und nicht mal Loadouts kann man sich in aller Ruhe zurechtlegen – das geht nur während eines laufenden Matches. Ziemlich absurd, ebenso wie die langweiligen Battlepacks, die nach jeder Runde verschenkt werden. Davon jedoch mal abgesehen, dürfte Battlefield der Ego-Shooter des Jahres sein. Arschgeiles Spiel!


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: EA DICE
Publisher: Electronic Arts

Release: Oktober 2016
getestet: November 2016 // Xbox One // digital // Englisch