FIFA 17


Fußball für Telespieler, Kapitel 24


Was hat EA gegen meinen Bruder? Er hat dem Konzern nichts getan. Und trotzdem legt FIFA ihm Steine in den Weg, die seinen Aufstieg in der Ewigen Tabelle verzögern oder gar vollends torpedieren könnten. Der Sachverhalt ist schnell erklärt: Mein Bruder nutzt die Alternativ-Steuerung, alle anderen die Standard-Steuerung. Spielt man an einer Xbox gegeneinander, wird die Steuerung von Spieler 1 wahnwitzigerweise auch auf Spieler 2 vererbt. Egal wie man es dreht und wendet: Es ist nicht möglich, dass einer Alternativ und einer Standard spielt. Ein Debakel, das man schon aus der 15er-Episode kennt. Für ein Spiel dieser Gewichtsklasse untragbar.



Jetzt ist es allerdings so, dass mein Bruder gar nicht allzu oft zum Spielen vorbeikommt. Der entstandene Schaden hält sich deshalb einigermaßen in Grenzen, da zumeist die erwähnten anderen Leute auf meiner Couch Platz nehmen. Die spielen alle den Standard – und verlieren trotzdem gegen mich. Ob Premier League, Zweite Bundesliga oder spanisches Duell, ich zerpflücke sie alle. Nur das angestammte Duell England gegen Schottland, wobei ich natürlich schottisch unterwegs bin, wird immer schwerer zu kontrollieren. Ein solcher Abend auf dem Sofa ist übrigens das Nonplusultra. Nicht nur, dass FIFA mittlerweile eines der wenigen Spiele ist, die man noch gerne vor einer Konsole spielt, nein. Es ist auch das einzige Spiel, das meine Freunde noch von der eigenen Familie weglocken kann. Ein Pluspunkt! Trotzdem komme ich nicht umher einzugestehen, dass die Euphorie um jene FIFA-Abende langsam, aber sicher weniger wird. Sie finden seltener statt, sind kürzer. Liegt nicht am Spiel, sondern vermutlich eher am Alter. Am Leben. Ich habe dieses Mal auch echt lange gezögert, bis ich FIFA dann schließlich im Black-Friday-Sale erstanden habe. Früher habe ich immer zum Launch zugeschlagen.

Sind die Freunde mal nicht anwesend, bleiben euch diverse Modi im Online-Mehrspieler und im Einzelspieler. Letzterer bringt eine ziemlich interessante Neuerung: the Journey. Dabei handelt es sich um einen storybasierten Karrieremodus, der den Aufstieg von Alex Hunter in den Fokus rückt. Der junge Engländer ist zu Beginn seiner Laufbahn ein Rohdiamant, der den nötigen Feinschliff erst durch euer Zutun erhält. Ihr trainiert, spielt, wählt euren Verein aus und müsst auch in Interviews Rede und Antwort stehen, um irgendwann als Supertalent bei den ganz großen Teams Eindruck zu machen. Man lernt während the Journey die Familie von Alex kennen, steigert seinen Marktwert und man kann sogar bestimmte Techniken verfeinern und ausprägen. Neben dem Gewinn von Spielen geht es auch darum, Follower in sozialen Netzwerken zu binden und auf dem Platz eine gute Figur zu machen. Ob man mit dem gesamten Team spielt oder nur Alex steuert, bleibt übrigens euch überlassen. The Journey ist ein gelungener Ansatz und hat mir unterm Strich gut gefallen. Dennoch gibt es Luft nach oben. Die möglichen individuellen Verbesserungen sind zu allgemein gehalten, die Zwischensequenzen manchmal echt kurz und in der Mitte der Karriere gab es auch einen toten Punkt, der mich sehr gelangweilt hat. Spiel, Training, Spiel, Training und dann immer die dummen Interviews. Das wirkte schon ziemlich steif und eingeschränkt. Trotzdem rasend gut, dass man FIFA in diese Richtung bringt, denn the Journey hatte auch viele glanzvolle Momente.



Der Rest ist altbekannt bzw. altbewährt. Turniere beispielsweise, die zwischendurch ganz nett sind, aber auch der Be-a-Pro-Modus, der mir persönlich leider nie so wirklich gut gefallen hat. Die meiste Zeit verbrachte ich deshalb wieder mal im Labor, wo ich versucht habe die richtige Teamchemie anzurühren. Das nennt sich auch dieses Jahr Ultimate Team und ist eine reizvolle Mischung aus Management und Spiel. Euer Team besteht aus Sammelkarten, die man wie immer auf dem spielinternen Marktplatz tauschen und ersteigern kann. Simple Aufmachung, aber relativ viel Spieltiefe, da man Verträge verlängert, sich Trikots aussucht, vor allem aber auf Nationalitäten, den Trainingsstatus oder den Verein der Spieler achten muss, um ein echtes Dreamteam zu schmieden. Obwohl es noch weitere Modi rund um den eigenen Lieblingsclub gibt, beschäftigte ich mich damit erneut kaum. Liegt auch daran, dass FIFA zwar auch diesmal wieder ein durchgestyltes Teil ist, die vielen Optionen einen aber auch den Überblick verlieren lassen.

Was alle Spielarten gemeinsam haben, ist natürlich das Gameplay. Das ist glücklicherweise grundsätzlich unverändert geblieben, wie in jedem Jahr gibt es jedoch zahlreiche marginale Verbesserungen. Von denen lese ich meist nur, auf dem Platz bekomme ich davon nicht wirklich viel mit. Ob Spieler den Ball jetzt besser abschirmen oder hier und da die Animationen realistischer aussehen, geht aus meiner Sicht in der Hitze des Gefechts ohnehin unter. Neu ist die Ausführung von Elfmetern. Besser ist es geworden, super aber immer noch nicht. Und Ecken landen irgendwie seltener im Tor. Weitere Details zu den Änderungen erspare ich mir, denn insgesamt spielt sich das Sportspiel einfach wie immer gnadenlos und unglaublich gut. Optisch punktet FIFA ebenfalls wieder. Feine Bewegungsabläufe, schicker Rasen und mittlerweile echt ganz gutes Publikum. Den Regen könnte man mal optimieren. Wenig Überraschungen auch beim Sound: Hochwertig im Menü, Wolf Fuß während des Spiels und z. T. sehr atmosphärischer Fangesang. Gleiches gilt für das Fazit: Keine Überraschungen. FIFA bewegt sich dank the Journey in die richtige Richtung und ist wie jedes Jahr ein Toptitel, den ich auch 2017 wieder kaufen werde – vermutlich erneut im Sale.


★★★★★     (gut)

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Genre: Sport
Entwickler: EA Vancouver
Publisher: EA Sports

Release: September 2016
getestet: Mai 2017 // Xbox One // digital // Englisch