Gears of War 4


Wenn der Vater mit dem Sohne


Wenn ich will, dann kreischt sie auf. Beginnt zu rattern und zu dröhnen. Faucht wie eine Bestie und verfällt in wilde Raserei. Dann ist sie bereit, meine Maschine, und schlägt ihre messerscharfen Zähne in das Fleisch meiner Widersacher. Ja. Irgendwie wurde mir erst bewusst, wie lange ich kein Gears mehr gespielt hatte, als ich den ersten Gegner professionell in zwei Hälften zerteilte. Ich liebte die drei Xbox-360-Episoden, allerdings war dann ab 2011 erst mal Pause in Sachen Gears of War. Und in meinen Gedanken staubte der Titel immer mehr ein, bis er zu einem Relikt vergangener Tage geworden war. Mit etwas Verzögerung griff ich dann zum neuesten Spross, jetzt auf der Xbox One, und war wirklich gespannt, was the Coalition aus der Reihe gemacht hat.



Der Staub ist jedenfalls weg. Und wie er das ist! Als wäre er nie dagewesen. Gears of War 4 hat mich mit seiner cineastischen Inszenierung völlig überrascht und baut gleich zu Beginn eine dichte und packende Atmosphäre auf. Die deutsche Synchronisation ist fantastisch und die gesamte Spielzeit über wird man durch dynamische Dialoge und herrliche Zwischensequenzen bei Laune gehalten. Die Präsentation hat mich kalt erwischt und deshalb fast schon umgehauen, vor allem weil auf dem Schirm echt eine Menge abgeht. Schöpferische Pause und Entwicklerwechsel müssen eben keine schlechten Vorzeichen sein, zumal der Titel sich bewusst auf alte Stärken beruft und seine Wurzeln nicht vergisst. So ist Gears selbstverständlich ein 3rd-Person-Shooter und setzt auf das Feuern aus der Deckung heraus. Wer sich daran nicht hält, der wird rasend schnell niedergestreckt und mitunter brutal hingerichtet. Sowohl im Einzel- als auch im Mehrspieler.

Der Schauplatz des Titels, Sera, ist ebenfalls nicht neu. Jedoch sind 25 Jahre ins Land gezogen. Durch die Emulsion wird der Planet von unbarmherzigen Windstürmen heimgesucht, die Gears sind im Ruhestand und die Regierung hat das Volk weitestgehend fest im Griff. Das Abenteuer beginnt mit einer kleinen Gruppe Rebellen – die eben nicht kontrolliert werden wollen – und deren Überfälle auf diverse Kolonien. Doch das Szenario dreht sich schlagartig, als der Schwarm auftaucht, der in direkter Verbindung zu den Locust zu stehen scheint. Zwar ist der Konflikt bei Gears 4 nicht so global wie noch in den Vorgängern, wir haben es hier aber auch mit dem Auftakt einer neuen Trilogie zu tun. Und dafür schafft der Titel es aus meiner Sicht eine tolle Geschichte zu inszenieren. Ich erfreue mich an alten Bekannten, neuen Problemen und der wirklich wunderbaren Atmosphäre. Die vom Krieg zerstörten alten Schauplätze, die bizarren neuen Siedlungen, die lebendig agierenden Protagonisten und die wachsende Bedrohung machen wirklich Lust auf mehr.



Wer, wie oben kurz angesprochen, verinnerlicht hat, dass man stets nur aus der Deckung heraus arbeiten sollte, hat die halbe Miete bereits gezahlt. Als eines der ersten Spiele, die das Deckungssystem neu geprägt hat, versucht Gears of War 4 jenes Rad nicht neu zu erfinden. Ist auch besser so. Es funktioniert noch immer tadellos und der Kampf gegen diverse Kampfroboter und andere Geschöpfe wird dadurch bisweilen zu einem taktischen Manöver und einem ausdauernden Stellungskrieg. Die Widersacher stecken ordentlich Kugeln ein, feuern ihrerseits verflucht aggressiv und scheuen sich auch nicht mit massiven Großkalibern durch euch und eure Kameraden zu pflügen. Die Wahl der Waffen, die allesamt auch euch zur Verfügung stehen, ist keine leichte, allerdings auch nicht spielentscheidend. Ich habe fast alles mit Lancer und Hammerburst gemacht, ausprobieren will man die anderen Schießeisen aber schon. Zum Teil allerdings nur, damit man die grausamen Hinrichtungen mal gesehen hat. Neben den genannten Maschinengewehren ist auch der Gnasher zurück, ebenso wie der Arkon-Bogen oder eure Pistole. Neu sind der pfeilschnelle Vollstrecker oder die EMBAR, ein Hochleistungs-Scharfschützengewehr. Dann und wann findet man auch gewaltige Spezialwaffen, die nur langsam bedient werden können, aber verheerende Schäden anrichten. Ist der klobige Mulcher erst einmal heiß gelaufen, mäht er alles nieder. Der Buzzkill bringt blutiges Chaos und die Dropshot zerfetzt eure Gegner in ihre Einzelteile. Großartig. Der wie immer hohe Gewaltgrad trägt zur intensiven Atmosphäre bei.

Gestört hat mich am neuesten Teil der Reihe, neben dem abrupten Ende, vor allem der Kampf gegen die vielen Roboter zu Beginn. Das ändert sich ja im Spielverlauf, anfangs war ich aber dezent gelangweilt von den Teilen. Liegt vielleicht auch daran, dass euer Weg stets exakt vorgegeben ist und man spielerische Freiheit weitestgehend vermisst. Gears of War 4 ist halt geradlinig. Auflockerung bringen zu verteidigende Schauplätze, bei denen der merkwürdige Fabrikator zum Einsatz kommt. Wie der funktionieren soll ist mir ein Rätsel, aber auf Knopfdruck spuckt er Selbstschussanlagen oder Stacheldraht aus. Damit, oder weiteren Fallen, bestückt ihr das Terrain und schickt dann eine heranstürmende Feindeswelle nach der anderen ins Jenseits. Der Mehrspieler ist ein wichtiger, viel gelobter Part des Spiels, für mich jedoch uninteressant. Kooperativ wollte niemand mehr mitmachen und auch für Horde, Versus und Co. fühlte ich mich eigentlich schon zu spät dran. Dabei sind die Optionen vielfältig und bei den Fans konnte the Coalition ebenfalls punkten. Doch auch ohne Multiplayer bin ich begeistert von Gears, vor allem weil ich insgesamt weniger erwartet hatte. Es ist wirklich ein hervorragendes Actionspiel geworden, das mich auf hohem Niveau von Anfang bis Ende wirklich gut unterhalten hat. Nur die Achievements, die sind komplett für den Arsch.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Action
Entwickler: the Coalition
Publisher: Microsoft Studios

Release: Oktober 2016
getestet: April 2017 // Xbox One // digital // Englisch