Forza Horizon 3


Lebensfreude auf Asphalt


Erst vor wenigen Tagen ist mir klar geworden, dass ich alle bisher erhältlichen Forza-Spiele mein Eigen nenne – und darüber freue ich mich noch immer. Denn die Rennspiel-Serie ist eines der wichtigsten Zugpferde für die Xbox, jedenfalls wenn man mich fragt. Jedes Mal allerdings, wenn ein neues Forza launcht, agiere ich zunächst stilvoll zurückhaltend und spiele meist erst mal gar nicht. Irgendwann fällt jene Scheu von mir ab und dann tauche ich ein. Voll und ganz. Obwohl es für das Genre eher untypisch ist. War bislang immer so, wenn Turn 10 oder Playground Games beteiligt waren. Forza Horizon 3 bildet da keine Ausnahme: Der Racer hat mich voll im Griff und haut mich jeden Tag aufs Neue von den Socken.

Dafür gibt es viele Gründe, die ich prägnant zusammenfassen möchte: Es ist tadellos lokalisiert und ungeheuer umfangreich. Es sieht zum niederknien gut aus, hat einen tollen Soundtrack mit an Bord und versprüht lebendige und ungezwungene Lebensfreude. Ich kaufe dem Spiel das Festival ab, bin erstaunt ob der hohen Motivation, der Abwechslung und wie viel es zu tun gibt. Das alles in über 500 verschiedenen Fahrzeugen, auf Dreck, Asphalt, Kies oder im Schnee – zumindest wenn man sich den DLC bereits geschnappt hat, der euch mit auf den Blizzard Mountain nimmt. Oder auf eine gigantische orangefarbene Piste in der abenteuerlichen Hot-Wheels-Expansion. Immer ist Forza Horizon 3 dabei schnell und waghalsig, bindet die Community auf beeindruckende Art und Weise ein und findet erneut einen Weg, relativ erwachsenes Fahrverhalten mit absolutem Arcade-Gameplay zu verbinden.



Linksverkehr-Premiere: Nachdem das Horizon-Festival schon in den USA und Südeuropa stattgefunden hat, wurde nun sämtliche Expertise eingepackt und nach Australien verschifft. Dort angekommen macht man euch, den zweimaligen Gewinner des Festivals, zum neuen Boss. Korrekt, es ist euer Event, ihr gebt den Ton an und habt von Anfang an die Krone auf. Eure Hauptaufgabe ist es, das Festival Stück für Stück zu vergrößern, wofür ihr Fans gewinnen müsst. Treue Follower, die an den verschiedenen Eventstätten tanzen und feiern, Autos begaffen oder sich von euch zu diversen Rennen herausfordern lassen. Fans gewinnt man aber auch durch Stunts, Fähigkeiten am Steuer oder absolvierte Meisterschaften. Nebenbei landen durch gefahrene Events auch reichlich Credits auf eurem virtuellen Bankkonto, was wichtig ist, um ausreichend neue Gefährte einzukaufen und aufzumotzen. Auf der großen Karte, die den Vorgänger nochmal ordentlich übertrifft, tauchen im Spielverlauf nach und nach schier zahllose Fragezeichen auf, die sich bei näherem Betrachten als Fanrennen oder Meisterschaften entpuppen, als Blitzerzonen und Löffellisten-Herausforderungen, Driftzonen oder Gefahrenschilder. Letztere laden zum riskanten Weitsprung ein, der Rest erklärt sich von selbst. Jedenfalls wenn man weiß, dass die Löffelliste eine Zusammenstellung aus 30 unterschiedlich schweren, ganz besonderen Herausforderungen ist, die zudem mit ausgewählten Fahrzeugen bestanden werden müssen. Die Meisterschaften bieten dem geneigten Rennfahrer noch am ehesten die Möglichkeit mit fahrerischer Finesse zu punkten, wobei ein Sieg hier nur dem eigenen Anspruch dient – ob man Erster oder Letzter wird ist grundsätzlich eher unwichtig, was ein klein wenig traurig ist. Die wichtigen Fans gewinnt man nämlich auch so. Hochgradig illegal und deshalb nur am Rande erwähnt: Straßenrennen. Straßenrennen bei Nacht. Straßenrennen bei Nacht, bis ihr zum 1:1 Duell aufgefordert werdet. Heieiei. Bleifuß und Stillschweigen!



Achso, was euren Anspruch als Rennspiel-Profi betrifft: Nur weil man Forza Motorsport 6 gut fand, muss einem die Horizon-Welt nicht gefallen. Sie ist frei von Strafen und Problemen, es gibt keine Hindernisse und Abkürzungen sind eigentlich Pflicht. Mehr als die Hälfte aller Rennstrecken führt über wechselnden Bodenbelag, viele Kurse beinhalten Ausflüge in die Botanik und nicht selten sogar Sprungschanzen. Man will euch aus dem Konzept bringen. Es ist wilder, freier und rebellischer als andere Rennspiele und für Puristen deshalb vermutlich keine Option. Die Fahrzeuge steuern sich hochwertig, qualitativ und unnachahmlich gut, von einer Simulation ist Horizon 3 aber schon ganz schön weit weg. Wenn man sich den Schwierigkeitsgrad nicht komplett unter die Decke knallt, was ein wenig wider dem spielerischen Grundgedanken liefe, ist es ein gnädiger, recht arcadelastiger Titel. Mit anderen Stärken. Die Abwechslung zum Beispiel, denn neben den bislang erwähnten Möglichkeiten könnt ihr auch noch Kolonnenfahrten starten, Duelle gegen alle möglichen Drivatare fahren, Scheunenfunde restaurieren, Bonusschilder zerfetzen oder in Drag-Rennen glänzen. Das Spiel ist dermaßen randvoll mit Herausforderungen, dass diese sich z. T. gegenseitig torpedieren. Beispielsweise fahre ich gemütlich in einer Meisterschaft, habe aber plötzlich so viele neue Fans, dass ich zunächst mal ein Schaurennen absolvieren muss – und hindüsen geht nur in dem Wagen, in dem ich schon sitze. Naja. Kooperativ geht das alles übrigens auch. Oder gegen den Rest der Welt im Online-Abenteuer. Plant deshalb besser ein paar Stunden ein. Mehrstellig wäre gut.

Man kann jedes Fahrzeug lackieren, tunen und upgraden, mit der neuen Blaupausen-Funktion eigene Meisterschaften oder Löffellisten erstellen und ja, man kann auch einfach nur durch das brachial gut aussehende Australien rasen, die Atmosphäre und die Musik genießen. Das nächtliche Feuerwerk, Sommerregen bei blauem Himmel oder Äste, die durch die Gegend fliegen, wenn man mal wieder offroad durch die Gegend prescht. Man kann im Auktionshaus nach neuen Vehikeln suchen, mit heißen Drifts einen Skillpunkt nach dem anderen freischalten oder die Rekorde seiner Freunde zerhacken. Es ist stimmig, alle Räder greifen ineinander und wer nicht so viel Wert auf Realismus legt, der geht voll und ganz in diesem fantastischen Spiel auf. Gäbe es die Ladezeiten im Fotomodus nicht, hätte ich rein gar nichts auszusetzen. Ein technisch, spielerisch und atmosphärisch imposantes Gesamtpaket.


★★★★★★     (sehr gut)

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Genre: Rennspiel
Entwickler: Playground Games & Turn 10 Studios
Publisher: Microsoft Studios

Release: September 2016
getestet: Juni 2017 // Xbox One // digital // Englisch