Call of Duty : Infinite Warfare


Intergalaktischer Interessenkonflikt


„Hö? Das neue Call of Duty soll doch voll schlecht sein?!“ Stimmt. Damit einem das Spiel gefällt, muss man schon auf actionbetonte Ego-Shooter stehen, ein bisschen was für Science-Fiction übrig haben und sich mit filmreifer Atmosphäre anfreunden können. Kann ich. Ich mag sogar rasante Mehrspieler-Gefechte. Was also hat Infinite Warfare falsch gemacht, warum ist die Grundhaltung so negativ? Die Verkaufszahlen jedenfalls stimmen erneut. Liegt es nur an einem schlechten Trailer? Oder eher am Zeitsprung? Das neue Call of Duty verabschiedet sich nämlich aus irdischen Gefilden und entführt euch stattdessen in den Weltraum.

Oh ja! Anstelle von Panzern gibt es Kampfroboter, statt in Hubschraubern fliegt man in interstellaren Abfangjägern und Flugzeugträger sind out, hier gibt es gewaltige Raumkreuzer. Einer davon untersteht eurem Kommando. Als Captain Reyes ist es an euch, die womöglich letzte Schlacht der Erde zu schlagen. Gegen andere Menschen übrigens. Denn auch in der Zukunft gibt es keinen Frieden. Der Zwei-Parteien-Konflikt ist sehr simpel gehalten, die Story ist deutlich einfacher zu verstehen als bei einigen Vorgängern, Gut und Böse sind klar getrennt. Die Settlement Defense Front, kurz SDF, steht seit jeher im Konflikt mit der UNSA, quasi der normalen Erdbevölkerung. Ihr seid hautnah dabei, als jener Schwelbrand in einen Feuersturm umschlägt und die SDF mit einem grausamen militärischen Schlag die UNSA angreift. Vergeltung: Von Bord der Retribution startet ihr umgehend gezielte Gegenangriffe auf die scheinbar übermächtige Flotte der SDF.



Infinity Ward hat sich für ein offenes Design entschieden. Es geht nicht strikt von Level zu Level, stattdessen kann man sich auf der Brücke der Retribution die nächste Aufgabe selber aussuchen, unterteilt in große Hauptmissionen und kleinere Sidequests. Letztere sind deutlich kürzer und weniger komplex, zudem mit weniger Cutscenes gespickt. Anreiz sind zusätzliche Ausrüstung und neue Waffen, die man dann in allen anderen Leveln ebenfalls nutzen kann. Weil Infinite Warfare außerdem auf intensive Luftkämpfe setzt, beschränken sich einige Missionen just darauf. An Bord eures Jackals, einem unheimlich agilen und massiv aufgerüsteten Kampfschiff, geht es im All oder auf der Oberfläche verschiedener Planeten zur Sache. Zerstört feindliche Infrastruktur oder ballert gegnerische Fliegerasse ab. Funktioniert dank vereinfachter Steuerung ziemlich schnell ziemlich gut: Mit eurem automatischen Zielsystem klemmt ihr euch hinter die pfeilschnellen Widersacher oder holt mit beherztem Dauerfeuer auch größere Raumschiffe vom Himmel. Ausweichen und Täuschkörper abwerfen ist natürlich ebenfalls Pflicht. Spielt sich rasant und fair, jedoch bei Weitem nicht so komplex wie das im Genre üblicherweise angezeigt ist. Mir hat es gefallen, dass das Gameplay durch jenen Luftkrieg aufgefrischt wird, jedermanns Sache ist es aber womöglich nicht. Alles andere erlebt man aus der Ego-Perspektive. In kleinen Guerilla-Missionen stehlt ihr Waffentechnik, zerstört Giftgas-Vorräte oder entert schlecht bewachte Kreuzer der SDF. Man fühlt sich tatsächlich wie der Underdog und hat durchaus das Gefühl, dass die Nadelstiche der UNSA das Blatt des Krieges doch noch wenden können – was eigentlich unvorstellbar ist, wenn man den ersten Angriff auf die Erde miterlebt hat.

Spielerisch hat sich Call of Duty nicht grundlegend verändert: fantastische Steuerung, saubere und flotte Grafik, irrwitzige Waffen und starke Gegner. Neu, aber irgendwie auch nicht völlig neu, sind Schusswechsel im All. Dank Enterhaken und Schwerelosigkeit funktioniert das ganz gut und macht Spaß, den vollmundigen Ankündigungen werden die Gefechte aber absolut nicht gerecht. Ohnehin hätte man hier und da deutlich mehr aus dem Titel herausholen können und müssen. Infinite Warfare ist weder sonderlich lang oder umfangreich, noch hat es einen Schritt nach vorne gemacht. Tolle Ansätze sind da, aber insbesondere was Roboter, Verteidigungssysteme, das Gameplay und tatsächlich auch die Bewaffnung betrifft, ist mir das Spiel zu unspektakulär.



Unstrittig ist hingegen die Atmosphäre, die mal wieder hervorragend umgesetzt und eingefangen wurde. Die lebt vor allem von den Hauptfiguren, den Zwischensequenzen und der tollen Vertonung. Da drücke ich für den platt dargestellten Antagonisten oder den Admiral der UNSA glatt ein Auge zu. Und auch wenn die Handlung aus meiner Sicht ziemlich unrealistisch ist und die SDF sich merkwürdig leicht besiegen lässt, haben mir Stimmung und Spielgefühl ausgezeichnet gefallen. Infinite Warfare ist, wie alle CoDs, geradlinig und es geht heftig zur Sache. Man hat nur wenig Zeit zum durchatmen, meist geht es direkt von Feuergefecht zu Feuergefecht. Dabei kämpft man mal alleine, mal mit NPCs, gelegentlich aus der Deckung heraus, dann wieder akrobatisch mit Schubdüsen und Wandlauf. Auch das sagt mir zu. Das Gunplay ist gewohnt gut und hochkarätig und auch der Einsatz von Gadgets, wie dem Schutzschild, einem Hacking-Tool, Schock- oder Anti-Schwerkraft-Granaten, geht schnell in Fleisch und Blut über. Der Titel sieht zudem wirklich ansehnlich aus, dann und wann muss man aber mit den Schwächen der Serie leben, wie z. B. klobigen Texturen. Ganz und gar gelungen sind die Animationen und das technische Gesamtbild.

Zombies sind übrigens auch mit im Gesamtpaket dabei, diesmal in einem Vergnügungspark. Gereizt hat mich der kooperative Modus aber nicht. Abgetaucht bin ich stattdessen für einige Matches in den normalen Online-Multiplayer, der mit maßgeschneiderten Loadouts, personalisierbaren Figuren, vollen Lobbys und sauberer Performance Laune macht und schnelles Reaktionsvermögen einfordert. Mir hat Infinite Warfare insgesamt gefallen. Es ist pure Unterhaltung, nicht langweilig und spielt sich gewohnt gut. Trotzdem bleibt es in Sachen Umfang und Komplexität hinter meinen Erwartungen zurück, scheint ab und an sogar ein wenig uninspiriert. Das beste CoD ist es entsprechend nicht. Da ich bekommen habe was ich will, nämlich Action, Action, Action habe ich lange über ein 'gut' nachgedacht, selbiges jedoch hat der Titel dann aber knapp verfehlt.


★★★★     (befriedigend)

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Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Infinity Ward
Publisher: Activision

Release: November 2016
getestet: August 2017 // Xbox One // pal UK