Need for Speed : Payback


Ausgebremst


Die Handbremse. Mir als passioniertem Radfahrer ist sie ein mehr als guter Freund: Proaktiv schütze ich mit ihr mein Leben, sie bringt Kontrolle und Sicherheit. Neu ist für mich, dass auch in einem Sportwagen kein Bremspedal mehr erforderlich ist, sondern konsequent und ausschließlich mit der Handbremse gearbeitet werden kann. Jedenfalls habe ich bei Payback höchstselten etwas anderes gebraucht; meist schleudere ich mich irgendwie durch die Kurven und nutze im Bedarfsfall Mauern, Leitplanken oder andere Streckenbegrenzungen, um auf Kurs zu bleiben. Das Rennspiel legt wenig Wert auf vernünftiges Fahrverhalten und möchte stattdessen vor allem mit Abwechslung punkten. Das misslingt. Aus verschiedenen Gründen. Leider hat es Need for Speed diesmal ganz und gar nicht geschafft, mich zu überzeugen oder zu motivieren – und fängt sich entsprechend ein 'mangelhaft' ein.



Es beginnt schon damit, dass ich noch vor dem Hauptmenü einen Ladebalken ertragen muss und nach der Auswahl des Karrieremodus prompt wieder eine Wartezeit vorgesehen ist. Sodann schlüpfe ich in die Haut von Protagonist Tyler Morgan, bin nun halb Rennfahrer, halb Rebell, und befinde mich in einer Welt aus krimineller Energie, Nitro-Einspritzungen, Unterbodenbeleuchtung und Glücksspiel wieder. Die überzogene Story ist nicht schlecht inszeniert, aber inhaltlich plump und leider gar nicht mein Fall. Eindimensionale Charaktere, wenig Atmosphäre und kein frischer Wind. Sportwagen zu klauen, sich mit Bossen verschiedener Untergrund-Gruppierungen im Fahrerduell zu messen oder die Polizei in tödliche Unfälle zu verwickeln, finde ich einfach nicht cool.

Dabei ist Coolness eine der wenigen Trumpfkarten, die Payback ausspielen möchte. Das hat NfS in der Vergangenheit eigentlich ganz gut gemacht und meist konnte ich mich darauf einlassen. Ködern kann man mich außerdem mit vielen Möglichkeiten zur optischen Veränderung meines Vehikels. Wenn aus einem Straßenwagen vom Fließband ein mit Seitenschwellern und Spoiler protzendes Unikat wird, gefällt mir das. Was mir nicht gefällt, ist, dass ich dafür erste jede Menge Zeit in das Spiel investieren muss: Ohne ausreichend Sterne (dazu später mehr) oder entsprechendem Fortschritt in der Story lassen sich die Autos nur unzureichend bearbeiten. Blöd. Ein Spiel gewinnt mich darüber hinaus mit dem Gefühl von Freiheit, die ein Open-World-Game wie Payback durchaus verspricht. Die Realität sieht jedoch anders aus. Anstatt lässig durch die Gegend zu cruisen und die Sehenswürdigkeiten zu genießen, finde ich die präsentierte Welt trist, es gibt wenig zu entdecken und sonderlich groß ist die Karte auch nicht. Relaxen auf dem Asphalt hat nicht funktioniert.



In Sachen Gameplay ist Need for Speed immer so eine Sache. Natürlich wusste ich vor dem Kauf, dass die Entwickler keinerlei Anspruch hatten eine Simulation zu basteln. Das finde ich auch gut. Unglücklich finde ich indes die Entscheidung, die Fahrzeuge in insgesamt fünf unterschiedliche Kategorien einzuteilen, die alle recht wenig miteinander zu tun haben. Neben den normalen Rennen werden auch noch Offroad-, Drag-, Drift- und Runner-Events in den Fokus genommen, wobei Letztere das Beseitigen von Konkurrenten zum Thema haben. Die Geschichte ist so gestaltet, dass man gezwungen wird sich allen Varianten anzupassen, ob man das nun will oder nicht. Hat zur Konsequenz, dass man lange braucht, um in einer Kategorie wirklich gut zu werden. Noch ehe man sich vollständig daran gewöhnt hat, muss man wieder in ein anderes Fahrzeug steigen. Die breite Streuung entwickelt sich also schnell zum Rohrkrepierer. Überdies fühlt sich das Arcade-Fahrverhalten insgesamt nicht gut an. Ob man nun 210 km/h oder 300 km/h auf dem Tacho hat, macht keinerlei Unterschied; den Unfällen fehlt die Wucht und die Lenkung ist ehrlich gesagt eine Katastrophe, ebenso wie das Streckendesign.

Payback sieht nicht mal richtig gut aus. Viele Pop-ups, langweilige Umgebungen und bei Weitem nicht so flüssig, knackscharf oder weitläufig wie die Konkurrenz. Die hat man sich übrigens zum Vorbild genommen und zahllose Features übernommen. Das mache ich dem Team von NfS nicht zum Vorwurf, die Umsetzung ist aber nicht gut gelungen. Gemeint ist vom Scheunenfund bis zur Blitzeranlage, von der Geschwindigkeitszone bis hin zum REP-System eigentlich alles. Für mich ist Forza Horizon, um jenes Vorbild mal beim Namen zu nennen, wie ein Ausflug, Balsam für die Seele. Need for Speed setzt mit seiner Inszenierung und dem Setting, den vielen Action-Elementen und der schlechten Spielbarkeit hingegen voll auf Stress.

Zu den wenigen eigenständigen Ideen gehören die Speed Cards, die man nach einem Rennen via Zufallsprinzip gewinnt. Sie übernehmen für euch in gewisser Art und Weise das Tuning, denn je nachdem welche der sechs Unterkategorien man erwischt, verbessern die Karten eure Höchstgeschwindigkeit, eure Bremsleistung oder erhöhen den Nitro-Vorrat. Verstanden habe ich das System nicht. Einleuchtend ist hingegen das Verdienen von Sternen, die es für die Zerstörung von Werbetafeln gibt oder für das Aufstellen neuer Rekorde bei diversen Wettbewerben abseits der Story – für die Blitzer zum Beispiel. Ghost Games hatte ansonsten keine Geistesblitze und wird von mir dafür mit einer harten Wertung bestraft. Need for Speed hat mich aber wirklich so sehr genervt, dass ich es nicht mal bis zum Abspann gespielt habe. Es ist kein gut programmiertes Spiel, das Ideen schlecht kopiert, technisch nicht auf der Höhe ist und den Fokus etwas zu sehr auf Action legt. Mag sein, dass beinharte the-Fast-&-the-Furious-Fans sich damit hervorragend amüsieren können, mich haben vor allem die Verfolgungsjagden aber einfach nur zermürbt. Wie insgesamt das ganze Spiel.


★★     (mangelhaft)

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Genre: Rennspiel
Entwickler: Ghost Games
Publisher: Electronic Arts

Release: November 2017
getestet: März 2018 // Xbox One // digital // Englisch